das europäische detail
: Unser Mann in Brüssel

Der schwäbischste Europäer Deutschlands geht in Pension Foto: dpa

Es sind die Disharmonien eines europäischen Abenteuers, die Günther Oettingers Reiz ausmachen: Oettinger, ein EU-Kommissar, der nicht nur den baden-württembergischen Landesspruch „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ beim Wort nimmt, sondern um das Englische ergänzt. Ein EU-Kommissar, der mal zuständig für Energie ist, mal für Haushalt und Personal, dessen Eignung als Kommissar für Digitalwirtschaft aber ein Rätsel bleibt. Ein EU-Kommissar – irgendwie fehl am Platz.

Seine Zeit in Europa geht langsam zu Ende. Ende Oktober läuft die aktuelle Amtszeit der Europäischen Kommission aus. Und Oettinger wird in Brüssel aufhören. Es ist das Ende einer politischen Laufbahn, die mit der Gründung der Jungen Union im schwäbischen Ditzingen begann und über das Amt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten in den Kosmos der EU geführt hat.

Gleich zu Beginn seiner dortigen Zeit eroberte Oettinger in einer mit Schwäbisch überwürzten englischen Rede die Sympathien der europäischen Gemeinschaft. Im Dezember 2009 hatte ihn das Zentrum für Kapitalismus und Gesellschaft der Columbia University zu seiner Jahreskonferenz geladen. Oettinger scheiterte an einem auffällig umständlich geschriebenen Skript: „On the one hand the crisis has revealed that there is a need for more governmental regulation, on the other hand we have to find a way of drastically limiting the governmental interference into economic activities“, wolllte er sagen. Man hat es aber kaum verstanden.

Jahre später, als Oettinger als Digitalkommissar nominiert war, stellte ihm Martin Sonneborn, Abgeordneter der PARTEI im Europaparlament, ein paar Fragen auf Deutsch – und bot Oettinger an, auf Englisch zu antworten. Der Oettinger’sche Charme, genährt von Vorfällen wie diesen, kann aber blind machen für seine dunklen Seiten. Immer wieder wurde er kritisiert, zu viel Zeit mit Lobbyisten zu verbringen. Manche warfen ihm vor, beim Thema CO2-Auflagen zugunsten der deutschen Automobilwirtschaft zu agieren, andere, beim Thema Urheberrechtsschutz im Interesse großer Verlagshäuser.

Zwar gilt in der Politik und auch ganz allgemein im Leben: „Äbbas Domms isch schnell rausgschwätzd.“ Aber Oettinger passierte das häufig. Einmal nannte er Chinesen „Schlitz­ohren und Schlitzaugen“. Die ­Eurokrise wollte er lösen, indem er griechische Beamte entmachtet und Flaggen von „über­mäßigen Schuldenmachern“ vor EU-Gebäuden auf Halbmast setzt.

Allerdings werden sie auch nicht auf Halbmast wehen, wenn er nun die EU-Kommission verlässt. Volkan Ağar