Schädling im Brandenburger Forst: Zwischen den Schützern der Wald

Oberverwaltungsgericht stoppt Einsatz des umstrittenen Insektizids „Karate Forst“ in Brandenburg. Ein Wochenkommentar.

Licht bricht sich Weg in den Wald

Licht schafft Schatten: Brandenburger Wald im Zwiespalt Foto: dpa

Dieser Kampf ist irgendwie aus dem Ruder gelaufen. Der Brandenburger Landesforstbetrieb hatte das Insektizid „Karate Forst flüssig“ gegen die in diesem Jahr besonders präsente Raupe des Nonnenfalters in den Ring geschickt. Der Naturschutzbund Nabu hatte dagegen geklagt, in der ersten Runde am Verwaltungsgericht Potsdam verloren, das Oberverwaltungsgericht gab dem Eilantrag aber schließlich statt. Seit dieser Woche darf Karate Forst flüssig nicht mehr über Brandenburgs Wäldern versprüht werden. Ein wichtiges Urteil.

Für den Waldschutzlaien ist die Geschichte schwer zu fassen. Die Raupe des Nonnenfalters ist ein Kiefernschädling, der sich nach anhaltender Trockenheit rasant vermehrt hat und laut Landesforstbetrieb in diesem Jahr so zahlreich auftritt, dass er Brandenburgs Kiefernmonowälder gleich mehrfach kahlfressen könnte. Der Einsatz des Pflanzenschutzmittels Karate Forst sei daher Ultima Ratio. Auch für ausgewiesene Waldökologen ist zum Erhalt des CO2-Speichers der Einsatz chemischer Mittel gerechtfertigt – ein zerstörter Wald, auch wenn es nur ein schnöder Kiefernforst ist, bräuchte schließlich mindestens sieben Jahrzehnte, um halbwegs nachzuwachsen.

Demgegenüber steht die Einschätzung von Naturschutzverbänden wie Nabu oder Bund und einzelner Waldbesitzer, die den Einsatz so eines Totalinsektizids, das dann neben der schädlichen Raupe auch andere durchaus nützliche Tierchen plattmacht, nicht als unumgänglich, sondern als unzumutbar und unnötig für das Ökosystem Wald betrachten. Rund 90.000 Menschen haben eine entsprechende Onlinepetition unterzeichnet.

Und während das Verwaltungsgericht Potsdam den Nabu nicht einmal als antragsberechtigt sah, gab das Oberverwaltungsgericht nicht nur der Verbandsklage recht, sondern erteilte der Argumentation der für den Einsatz zuständigen Behörden auch eine klare Absage: Die erforderlichen naturschutzrechtlichen, insbesondere artenschutzrechtlichen Prüfungen habe es nicht gegeben. Das Nervengift Karate Forst vernichtet laut Nabu nicht nur den Schädling, sondern auch dessen natürliche Gegner.

Der Nonne ist nur einer der Schädlinge, die auf der Welle des Klimawandels surfen

Nun aber darf es nicht mehr ausgebracht werden, das Urteil ist unanfechtbar. Für beide Seiten ein Kampf mit herben Verlusten: Die Naturschützer werden die 5.000 Hektar Wald betrauern, die schon chemisch behandelt wurden, und die Forstbehörden die 2.700 Hektar, die laut ihrer Überzeugung nun ratzekahl gefressen werden.

Das Szenario bietet aber auch die Gelegenheit zu beobachten, ob die Naturschützer recht behalten, die darauf bauen, dass sich der Wald aus eigener Kraft erholt. Und weil die Nonne nur einer der Schädlinge ist, die auf der Welle des Klimawandels surfen, werden Waldverwalter und -bewahrer immer wieder vor ähnlichen Szenarien stehen. Insofern ist die Strenge des Urteils in Sachen Arten- und Naturschutz wegweisend.

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