Wagenknecht geht im Juni

Die Fraktion will noch vor der Sommerpause eine Nachfolgerin wählen. Das Amt ist kein Traumjob und das Personaltableau übersichtlich. Oder macht es Dietmar Bartsch allein?

Sahra Wagenknecht leitet eine Fraktions­sitzung. Sie will so schnell wie möglich übergeben Foto: Jens Jeske

Von Stefan Reinecke
und Anna Lehmann

Sahra Wagenknecht wird noch im Juni ihren Job als Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag aufgeben. Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, sagte der taz: „Die beiden Vorsitzenden streben noch vor der Sommerpause an, den Frak­tionsvorstand neu zu wählen. Die abschließende Verständigung dazu wird bei der Frak­tionsvorstandssitzung am 3. Juni stattfinden.“ Die neue Fraktionsspitze soll in der letzten Sitzungswoche des Bundestages vor der Sommerpause Ende Juni gewählt werden.

Gemeinsam mit Dietmar Bartsch führte Wagenknecht die Fraktion der Linken im Bundestag seit 2015. Im Herbst 2017 wurde das Duo wiedergewählt. Doch seitdem stritt die Fraktion eher nach innen als nach außen, auch weil Wagenknecht parallel die Sammlungsbewegung „Aufstehen“ mitgründete. Im März, kurz nach ihrem Ausstieg bei „Aufstehen“, hatte Wagenknecht angekündigt sich auch aus der Fraktionsführung zurückzuziehen und nicht wieder zu kandidieren. Begründet hat sie den Schritt mit gesundheitlichen Problemen. Sie bleibt allerdings Bundestagsabgeordnete.

Wer Wagenknechts Nachfolgerin wird, ist derzeit noch offen. Die populäre Politikerin hinterlässt große Fußstapfen, aber auch eine tief gespaltene Fraktion. Das Amt ist daher kein Traumjob.

Eine Möglichkeit ist, dass Dietmar Bartsch die Fraktion allein führt. Der Reformer hat einen guten Ruf als Vermittler. Gregor Gysi, Ex-Fraktionschef, hatte sich in der Freitagsausgabe der taz für Bartsch ausgesprochen. „Für ein Jahr kann er das gut alleine machen, später zusammen mit einer Frau“, so Gysi. Es sei sinnvoll, die Spitze von Fraktion und Partei 2020 zusammen neu zu bilden.

Doch eine männliche Einzelspitze wie zu Zeiten Gysis wollen viele GenossInnen nicht noch einmal akzeptieren. „Vor dem Hintergrund unseres Parteitagsbeschlusses und dem Kampf um ein Paritégesetz wäre das ein ganz falsches Zeichen“, meint Nicole Gohlke. Die Münchnerin organisiert jenen linken Flügel der Fraktion, der sich Bewegungslinke nennt, in Abgrenzung zu den Linken um Wagenknecht und deren migrationskritischer Haltung. „Es gibt keinen Mangel an kompetenten Frauen in der Fraktion“, findet Gohlke. Doch es bleiben nur wenige, die von den verschiedenen Strömungen – von Reformern bis zur Ultralinken – akzeptiert werden.

Von Abgeordneten aus dem Umfeld der Gewerkschaften wird Susanne Ferschl favorisiert. Doch die einstige Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Nestlé Deutschland ist zwar eine von neun Stellvertreterinnen in der Fraktion, aber erst seit knapp zwei Jahren im Bundestag und wenig bekannt.

„Kein Mangel an kompetenten Frauen“

Nicole Gohlke, Linke, MdB

Anders als Katja Kipping, neben Wagenknecht die wohl berühmteste Linkenpolitikerin. Aber die Parteichefin äußert sich weder zur Neuwahl noch zu möglichen Kandidaturen. Und angesichts des Dauer­zwistes zwischen Wagenknecht und Kipping in der Vergangenheit, der auch die Fraktion zerrieben hatte, wäre es für Kipping ein riskanter Zug, jetzt Wagenknechts Platz einzunehmen. Die Wut der Wagenknecht-AnhängerInnen wäre ihr gewiss.

Ambitionen werden auch Caren Lay nachgesagt, ebenfalls stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Sie gilt als Vertraute von Kipping. Für Lay spricht, dass sie mit ihren Themen „Wohnen“, „Klimaschutz“ und „Kampf gegen rechts“ im linken Flügel gut ankommt. Sie besitzt außerdem bereits Erfahrung als stellvertretende Parteivorsitzende und Bundesgeschäftsführerin. Allerdings war sie als Letztere umstritten, manch einem war ihr Führungsstil zu „herrisch“.

Wen immer die Linken zu Wagenknechts Nachfolgerin küren – dies soll möglichst im Konsens erfolgen. Nach Monaten interner Streitigkeiten sehnt sich nicht nur Wagenknecht nach Ruhe und Frieden.