Linke sucht Partnerin
für Dietmar Bartsch

Die Idee, die Linke-Fraktion im Bundestag nach Sahra Wagenknechts Rückzug erst einmal allein von Dietmar Bartsch führen zu lassen, kommt dort überhaupt nicht gut an

Dietmar Bartsch (v.) während einer Pressekon­ferenz in Berlin mit seiner Parteivor­sitzenden Katja Kipping   Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Von Anna Lehmann

Mehrere Bundestagsabgeordnete der Linken stemmen sich gegen die Idee, dass ihre Fraktion demnächst allein vom bisherigen Co-Chef Dietmar Bartsch geführt werden könnte. „Völlig unmöglich“, findet die frauenpolitische Sprecherin Cornelia Möhring die Idee. Eine doppelspitzenfreie Zeit in der Fraktion sei inakzeptabel. „Eine einsame Männerspitze ist mit linker Politik unvereinbar“, meint auch Anke Domscheit-Berg. Die parteilose Digitalexpertin sitzt seit zwei Jahren für die Linke im Parlament.

„Das wäre ein Schritt zurück und nicht nach vorn“, ist die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion, Simone Barrientos, überzeugt. Ebenso denkt Sabine Leidig, Beauftragte für soziale Bewegungen. Sie hält es in mehrfacher Hinsicht für „eine ganz schlechte Idee“ und verweist auf Parteitagsbeschlüsse, die eine paritätische Besetzung von Gremien vorsehen, sowie auf die Tatsache, dass der Linksfraktion mehr Frauen als Männer angehören.

Derzeit führen Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch die 69-köpfige Bundestagsfraktion als Doppelspitze. Doch Wagenknecht will sich noch im Juni zurückziehen. Der ehemalige Fraktions- und Parteivorsitzende Gregor Gysi hatte im Interview mit der taz angeregt, dass Bartsch den Fraktionsvorsitz übergangsweise für ein Jahr allein übernehmen könne. Danach wieder zusammen mit einer Frau. Auch im Umfeld von Bartsch gibt es wohl entsprechende Überlegungen. Er selbst hat sich öffentlich dazu noch nicht geäußert.

Seitdem Sahra Wagenknecht im Mai angekündigt hatte, nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren, gibt es Spekulationen, wer ihre Nachfolgerin werden könnte. Regulär würde der Fraktionsvorstand im Herbst neu gewählt, doch wie der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Jan Korte, gegenüber der taz ankündigte, soll die Wahl noch im Juni erfolgen. Der Vorstand wird den Vorstoß am Montag beraten.

Für die Frauen in der Fraktion steht fest, dass es keinen Mangel an geeigneten Kandidatinnen gibt. „Es gibt etliche Frauen, die sich das gut vorstellen können“, berichtet Domscheit-Berg. Auch Barrientos sieht „wahnsinnig viele tolle Leute“ in den eigenen Reihen, die auch als Fraktionsvorsitzende in Frage kämen. „Sahra Wagenknecht ist nicht unersetzbar.“

Im Gespräch sind unter anderem Gesine Lötzsch, Susanne Ferschl und Caren Lay, die derzeit Stellvertreterinnen sind. Parteichefin Katja Kipping hatte am Montag mitgeteilt, dass sie selbst im Sommer nicht kandidieren wolle.

Neben Wagenknecht ist Kipping derzeit die wohl bundesweit bekannteste Linken-Politikerin. Doch Prominenz ist für viele weibliche Abgeordnete zweitrangig bei der Wahl der neuen Fraktionsspitze. „Eine Fraktionsvorsitzende muss zunächst die Fraktion führen, das setzt nicht voraus, dass sie aus Talkshows bekannt ist“, meint Möhring.

Für die Frauen in der Fraktion gibt es keinen Mangel an geeigneten Kandidatinnen

Auch für Domscheit-Berg zählen in erster Linie „Leadership-Qualitäten“. Die neue Fraktionschefin müsse kommunikativ sein, zuhören und motivieren können, zählt sie auf. „Ob sie 90 Prozent der Menschen auf einem Foto erkennen, ist für mich kein Top-Kriterium.“

Wagenknecht hat die Fraktion vor allem nach außen repräsentiert, in Sitzungen wurde sie zuletzt kaum noch gesehen. Es war Dietmar Bartsch, der den Laden zusammenhielt.

Doch auch Bartsch ist innerhalb der Fraktion nicht unumstritten. „Für mich ist er nicht gesetzt“, sagt Sabine Leidig. Bartsch stehe nicht für eine neue Haltung zur Politik, sei nicht in sozialen Bewegungen verwurzelt. „Ich würde mir einen Neuanfang wünschen“, meint Leidig. Für Anke Domscheit-Berg ist die Doppelspitze nicht verhandelbar. „Aber über alles andere kann man reden.“

Im Lager der Reformer, das Bartsch repräsentiert, gab es in den vergangenen Monaten intern ebenfalls heftige Kritik. Viele Mitglieder des Forums demokratischer Sozialismus monierten, dass Bartsch um des Machterhalts willen den migrationskritischen Äußerungen von Wagenknecht nicht energisch genug widersprochen habe. Außenpolitiker Stefan Liebich hatte sich am EU-Wahlsonntag für einen „Neustart“ an Partei- und Fraktionsspitze ausgesprochen.