BERLIN UND DIE SIEBEN BERGE VI
ALPENGIPFEL, Marienfelde

Marienfelde ist auf meiner persönlichen Berliner Landkarte terra incognita.

Aber wenn ein knapp 77 Meter hoher Müllberg den schönen Namen Alpengipfel trägt, ist mein Expeditionstrieb geweckt und es gibt kein Halten mehr. Zweimal war ich auf dem Gipfel, der eher ein Zipfel ist, und zweimal hat es in Strömen geregnet. Unzumutbare Bedingungen also für einen feingeistigen Schönwetterfotografen wie mich. Und so setzte ich mich an einem weiteren Regentag daheim am Prenzlauer Berg an den Computer, suchte den Alpengipfel auf Google Street View, tauchte ein in die anliegenden Straßen, drehte mich um 360 Grad, zoomte mich in die Vorgärten und erlebte einen spooky Jim-Carrey-in-Die-Truman-Show-Moment nach dem anderen:

Strahlender Sonnenschein und warme, weiche Wattewolken. Überall saubere Straßen, gepflegte Bürgersteige, fröhliche Menschen in sportlicher Funktionskleidung, Fußgänger, Nachbarn im Plausch am Gartenzaun. Wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung hatten die Marienfelder anscheinend ihre Häuschen und Vorgärten liebevoll gestaltet, gerade so, als wären es Berghütten auf dem Weg zum Gipfel. Die perfekte Rückkopplung zwischen Erwartung und Verhalten. Und alles nur, weil irgendein cleveres Kerlchen einen giftigen Müllberg Alpengipfel taufte.

Als alle 36 Bilder im Kasten waren, schien endlich einmal die Sonne. Kaum hatte ich meine Wohnung für einen Kiezspaziergang verlassen, sauste unten auf der Straße eines dieser sechs-äugigen Google-Street-View-Autos an mir vorbei. Big Brother is watching me.

Der Fotograf Fred Hüning ist in Schleswig-Holstein aufgewachsen. Dort ist der in der Holsteinischen Schweiz (sic!) gelegene Bungsberg mit 167,4 m die höchste Erhebung.

Von Fred Hüning