Kommentar SPD-Krise: Keine Angst vor einer Neuwahl

Seit der Entscheidung der SPD, weiter mit der Union zu koalieren, geht es mit ihr abwärts. Jetzt muss die Partei dringend aus der Groko raus.

Jemand wirft einen Stimmzettel in einer Wahlurne vor einer Deutschlandflagge.

Neuwahlen sollte die SPD nicht als Gefahr wahrnehmen Foto: dpa

Die SPD ist nach der Bundestagswahl falsch abgebogen. Da war diese eine kurze Phase alter Prinzipientreue, als Noch-Parteichef Martin Schulz den stolzen Gang in die Opposition ankündigte. Und schon lag man wieder in den Armen der Union.

Die SPD hätte die Chance gehabt, sich als antifaschistische Kraft zu positionieren. Sie hätte die Partei sein können, die als stärkste Oppositionsfraktion im Bundestag ein Momentum gegen die AfD aufbaut. Dann hätte man zumindest gewusst, wofür diese Partei steht; nein, wofür sie kämpft und wogegen. Leidenschaftlich und aus Überzeugung.

Aber der Verlockung der Macht kann die SPD nicht widerstehen. Zumal, was stand da nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen auf dem Spiel? Die Stabilität der Republik, hieß es, die Regierungsfähigkeit, Neuwahlen drohten, Staatsräson war gefordert. Zugegeben, die Warnungen waren sehr überzeugend. Nur das hat die SPD nun davon: Es geht stabil nach unten. Und so wie diese Koalition derzeit regiert, muss man vor Neuwahlen keine Angst haben.

Zwei Themen haben vor den Europawahlen die öffentliche Diskussion in Deutschland geprägt, zwei Themen, die Leidenschaft und Haltung erfordern: Klimaschutz und der europäische Rechtsruck. In dieser Debatte hat die SPD keine Rolle gespielt. Sie hat gar keine Rolle gespielt, nicht einmal mehr die eigenen Mitglieder schienen noch für sie gestimmt zu haben. Wie tief muss die Partei noch fallen, bis sie jenseits der Zwänge des Regierungshandelns entdeckt, wofür sie eigentlich wirklich steht?

Nicht erneut falsch abbiegen

Um angeschobene Klimagesetze nicht zu gefährden, dürfe die Koalition jetzt nicht auf Spiel gesetzt werden, heißt es. Welche Klimagesetze? Die Union hat immer noch nicht begriffen, dass die globale Erwärmung nicht vor den EU-Außengrenzen haltmacht. Und niemand unterstellt Umweltministerin Svenja Schulze gesteigerte Durchsetzungskraft, geschweige denn ausreichend Rückhalt im Kabinett.

Der Zerfall der Volksparteien hat nicht im Willy-Brandt-Haus in Berlin angefangen, der Niedergang der Sozialdemokratie mag ein Symp­tom sein. Eines hat nur noch nie gegolten: dass man nicht handeln müsse, bloß weil man nicht schuld ist. Die Europawahl hat eine unübersehbare Wegmarke gesetzt. Die SPD darf hier nicht erneut falsch abbiegen. Sie muss jetzt raus aus dieser Koalition.

Dass diese Entscheidung eine Neuwahl zur Folge haben kann, sollte nicht als Gefahr wahrgenommen werden, sondern als Chance. Nicht zuletzt für den Klimaschutz.

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taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.

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