Kommentar Szenario Grün-Rot-Rot: Bündnis 19/Die Grünen

Die Große Koalition droht zu scheitern. Für die Grünen wären Neuwahlen attraktiv – doch sie bekennen sich nicht zur Möglichkeit Grün-Rot-Rot.

Annalena Baerbock breitet die Arme aus

Könnten groß denken, tun es aber nicht: die Grünen, hier in Person von Annalena Baerbock Foto: dpa

Rot-Rot-Grün blieb ein schöner Traum, weil er die falschen Vorzeichen hatte. Der SPD fehlte schon vor Jahren auch inhaltlich die Stärke, um ein progressives Bündnis anzuführen. Für ein solches gibt es nun laut aktuellen Umfragen wieder eine knappe Mehrheit. Wer, wenn nicht die Grünen, sollte das jetzt übernehmen? Aber die gucken lieber in die Luft, anstatt sich endlich zu Grün-Rot-Rot zu bekennen.

Dabei ist die Lage günstig: Für die Grünen wären Neuwahlen viel attraktiver als für die beiden anderen Volksparteien – ja, so muss man es jetzt sagen, es sind drei geworden. Und natürlich wollen sich die Grünen in ihrem Umfragehoch nicht einfach in eine Regierung Merkel einwechseln lassen, die schon die SPD in einen Mahlstrom der Bedeutungslosigkeit zog.

Die Grünen sitzen am Hebel, und der trägt die Aufschrift „Alles neu“. Warum zögern sie, aus ihrem Kapital ein politisches Zukunftsprojekt zu machen? Warum drücken sie sich noch immer vor einem eindeutigen Bekenntnis zu einem Bündnis mit SPD und Linkspartei, warum weichen sie Fragen nach Ambitionen auf das Kanzleramt aus?

Bescheidenheit ist ja ganz nett, aber Bescheidenheit gewinnt keine Wahlen. Und auch das Warmhalten des Flirts vom vergangenen Frühling führt nie irgendwohin, das sollten auch die Grünen wissen – und der absoluten Mehrheit für Schwarz-Grün in den aktuellen Umfragen widerstehen, ebenso einer Jamaika-Koalition in Bremen. Denn: Wollen sie nach ihrem Erfolg bei der Klimawahl 2019 ernsthaft mit einer Union koalieren, für die noch immer Flugtaxis das höchste der Gefühle sind, wenn es um nachhaltige Zukunftspolitik geht?

Besser regieren, als nicht mehr zu existieren

Die Linkspartei dagegen hat mit Katja Kipping eine Vorsitzende, die nicht die ewige Wadenbeißer-Opposition, sondern progressives Regieren als Ziel ausgibt und dabei nicht länger von Sahra Wagenknecht torpediert wird. Sie könnte ergänzen, was den Grünen an sozialpolitischer Zielstrebigkeit fehlt. Und die SPD dürfte inzwischen verstanden haben, dass sie ihr Profil und dabei das Thema Klimawandel ernst zu nehmend integrieren muss.

Es liegt also nicht nur an den Grünen, den beiden anderen eindeutige Bereitschaft zu signalisieren, sondern auch an den Sozialdemokraten, darauf zu reagieren, ihre Angst vor Neuwahlen herunterzuschlucken – und die Koalition platzen zu lassen. Für sie könnte ein grün-rot-rotes Bündnis die Chance sein, gute Digital-, Außen- und Sicherheitspolitik zu machen, bis sie ihren sozialen Kern irgendwann wieder ausgebuddelt haben, anstatt in der Groko endgültig auszubrennen. Oder anders gesagt: Besser als Juniorpartner der Grünen regieren als gar nicht mehr existieren.

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