Wieder mal Tabula Rasa beim HSV

Nach Trainer Hannes Wolf hat der Fußball-Zweitligist auch Sportvorstand Ralf Becker gefeuert. Nachfolger ist der Wunschkandidat von Clubboss Bernd Hoffmann, Jonas Boldt. Der muss nun einen Trainer finden

Nach dem verpassten Wiederaufstieg in die Bundesliga hat der Aufsichtsrat des Hamburger SV Konsequenzen gezogen und Sportvorstand Ralf Becker entlassen. Damit stellt sich der Zweitligist auf der sportlichen Führungsebene innerhalb eines Jahres schon wieder völlig neu auf. Das Kuriose und vielleicht HSV-Typische an der Geschichte: Während Becker gerade auf der Suche nach einem neuen Cheftrainer war und bereits Gespräche führte, bereitete der Aufsichtsrat im Hintergrund seine Absetzung vor. In der vergangenen Woche musste der Manager vor dem Gremium erklären, warum das Saisonziel verpasst wurde. Und vor allem: Wie es in Zukunft eigentlich besser werden soll.

Darauf hatte Becker wohl keine überzeugenden Antworten, genauso wenig wie während der Saison an der Seite des Trainers Hannes Wolf. Die Liste der internen Vorwürfe ist lang. Becker habe die zahlreichen Probleme innerhalb des Kaders nicht gut genug gemanagt, heißt es zum Beispiel. Spätestens nach dem Jahreswechsel ist ein Bruch in der Leistungskurve der Mannschaft festzustellen. Stellt man die Punktebilanz aus Hin- und Rückrunde gegenüber, wird es richtig deutlich: 37 zu 19. Am Ende fehlte dennoch nur ein Punkt für einen Aufstiegsplatz.

Vorstandschef Bernd Hoffmann hat den Verlauf der Saison so erklärt: „Es gibt nicht die eine Ursache, es handelt sich um ein Systemversagen. Unser gesamtes Sportsystem ist seit dem Januar kollabiert.“ Sätze, die auch Becker treffen, einen Streit entfachen, der obendrein auch noch öffentlich wird. Die anschließende Posse um Trainer Hannes Wolf brachte das Fass innerhalb des HSV zum Überlaufen: In einem Gespräch mit der Bild hat Becker verraten, dass er Wolf bereits nach der 0:3-Niederlage gegen Ingolstadt, also eine Woche vor dem Entscheidungsspiel gegen den Aufstiegskonkurrenten SC Paderborn, gesagt habe, er plane nach der Saison auf seiner Position anders. Später revidierte er und behauptete, falsch verstanden worden zu sein. Das Wort „vielleicht“ sei weggelassen worden, die Bild-Redaktion bestreitet das.

Wenig später war für Becker beim HSV vorzeitig Schluss. Die Kluboberen setzen wieder mal auf einen radikalen Neuanfang. Dabei war es der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann selbst gewesen, der in der Diskussion um Trainer Wolf gesagt hatte: „Wir sind seit Jahren im permanenten Krisenmodus, der immer mit dem Austausch einzelner Personen endet. Wir können es nicht immer wieder nur am Trainer festmachen. Wir müssen diesen Kreislauf auch einmal durchbrechen.“ Gelungen ist das wieder einmal nicht. Schlimmer noch: Jetzt fangen sie schon an, Trainer und Manager gleichzeitig zu entlassen.

Mit dem neuen Sportchef Jonas Boldt, der von Bayer 04 Leverkusen kommt, soll es aber nun wirklich anders werden. Der 37-Jährige ist Hoffmanns Wunschkandidat, der Aufsichtsrat ist seiner Empfehlung gefolgt. Boldt will in Kürze einen neuen Trainer präsentieren. Die Spur führt zu Dieter Hecking, mit dem – soviel Kontinuität immerhin – schon Becker gesprochen haben soll. Kandidat Bruno Labbadia winkte am Samstag ab. Danach geht’s an den Kader: Bis zu zehn Plätze sind neu zu besetzen.