Ausstellungsempfehlungen für Berlin: Politik in Straßenfurchen

Beate Scheder empfiehlt eingegossene Geschichte von Daniel Knorr, politische Möbel von Sung Tieu und Kunst im Schwimmbad.

Daniel Knorr, installation view, Dip in the Past, Meyer Riegger, Berlin, 2019 Foto: Oliver Roura; Courtesy the artist and Meyer Riegger, Berlin/Karlsruhe.

BERLIN taz | So knallig-neonbunt wie die Muster der Leggins, die man in den 1980er Jahren trug, sehen sie aus, die Wandobjekte aus eingefärbten Polyurethan, die Daniel Knorr bei Meyer Riegger an den Wänden verteilt hat. Schaut man genauer und nimmt den Handzettel hinzu, erschließt sich, worum es sich dabei handelt. Der Künstler, der seine Praxis als die eines zeitgenössischen Archäologen beschreibt, hat Abgüsse von Straßenvertiefungen und Schlaglöchern genommen.

Das ist Knorrs Methode, die Geschichte, die sich in den Grund und Boden eingeschrieben hat, zu visualisieren. Seit 2013 arbeitet er an seiner Serie „Depression Elevations“, dieses Mal an Orten auf dem ehemaligen Mauerstreifen Berlins, wo die einstige Trennung noch immer im Pflaster sichtbar ist. Hier treffen die Abgüsse auf die titelgebende Skulpturenserie „Dip in the Past“ – an der unteren Hälfte verrostete Metallleitern, die ins Ungewisse führen

Auch bei Sung Tieu trügt der erste Eindruck. So handelt es sich bei den beiden Sitzgruppen, die sie bei Fragile aufgestellt hat, keineswegs um harmlose Picknickbänke, vielmehr um Möbel, wie sie im Strafvollzug verwendet werden. Deren erstaunliche Ähnlichkeit zu solchen im öffentlichen Raum weckte das Interesse der Künstlerin, denn: Wer schützt hier eigentlich wen wovor? Und welches Menschenbild steckt dahinter?

In einem fiktionalen Zeitungsartikel lässt Tieu von einer Prügelei unter Eltern auf einem Spielplatz im Hamburger Reichenviertel Harvestehude berichten, die nur unter massivem Polizeieinsatz hätte geschlichtet werden können. Auch erwähnt werden darin die neuen unverwüstlichen Bänke, deren abgerundete Ecken sich in der Konfliktsituation bewährt hätten. Je länger man sich in der Installation aufhält, die auch eine Sechskanalsoundarbeit und ein Video umfasst, desto bedrückender wirkt sie. Tieu macht die Gewalt, die sich in funktionalen Dingen verbirgt, körperlich spürbar.

Meyer Riegger, Di.–Sa. 11–18 Uhr, bis 15. 6., Schaperstr. 14

Fragile, Besuch nach Vereinbarung: contact@FRAGILE.berlin, bis 28. 6., Leipziger Str. 63

Tropez im Sommerbad am Humboldthain, Mo.–So. 10–18 Uhr, ­bis 1. 9., Wiesenstr. 1

Auf andere Art aufregend geht es in der diesjährigen Gruppenausstellung des Kunst-Kiosks Tropez im Sommerbad am Humboldthain zu. „Amour“ eint Arbeiten, die mal direkter mal subtiler das Freibad an sich und die Reize leicht bekleideter oder nackter Körper umschreiben – wie man ihnen eben auch am Pool begegnet. Mit dabei sind Gili Avissar, Natalie Czech, Constand Dullart, Julie Favreau, Bertrand Flanet, Luzie Meyer, Hayal Pozanti, Michael Sports und Kira Bunse, aus deren Fotografien junger Badegäste ein Kalender entstehen soll

Dieser Text erschien im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer donnerstags in der Printausgabe der taz.

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