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Im Ölrausch

Nicht nur im Internet schwärmen Menschen von Cannabidiol: Gewonnen aus der Hanfpflanze, macht CBD zwar nicht high, soll aber gegen Schlafstörungen helfen, gegen Schmerzen oder auch bei Epilepsie. Der Verkauf findet aber vorerst in einer rechtlichen Grauzone statt

Was alles drin ist, sieht man der Pflanze nicht an: THC-armer Hanf in einem Schweizer Gewächshaus Foto: Christian Beutler/Keystone/dpa

Von Yasemin Fusco

Neulich im E-Mail-Eingang: Werbung für das neueste Wundermittel gegen Einschlafprobleme, Depressionen und Angstzustände – Cannabidiol, kurz CBD. Insbesondere in Öl-Form zur sublingualen Einnahme, also unter die Zunge getropft, geht der nicht berauschende Wirkstoff der Hanfpflanze bereits über viele (Online-)Ladentheken – begleitet von mitunter vollmundigen Behauptungen, was CBD alles bewirken könne, aber selten auch unter Nennung von Risiken und Nebenwirkungen.

Die können gesundheitlicher Natur sein, aber auch juristischer: Wer CBD-Öl oder andere Produkte mit Cannabidiol in der Öffentlichkeit mit sich führt oder konsumiert, kann Schwierigkeiten mit der Polizei bekommen. „Die Polizei wird tätig, sobald der Verdacht einer Straftat vorliegt“, sagt etwa Daniel Ritterskamp, Sprecher der Hamburger Polizei. Der Knackpunkt: Im CBD-Öl, also Hanföl mit einem CBD-Gehalt zwischen fünf und 40 Prozent, findet sich auch THC, also der berauschend machende Hanf-Wirkstoff. Indem da also ein Hanfprodukt mit unbekanntem THC-Gehalt konsumiert werde, liege ein solcher Verdacht vor, so Ritterskamp. Es sei nicht möglich, den exakten THC-Wert vor Ort festzustellen: Dazu müssen solche Produkte beschlagnahmt und im Labor untersucht werden. „Über Einstellungen von Ermittlungsverfahren entscheidet im Weiteren die Staatsanwaltschaft“, heißt es weiter.

Und was ist nun mit CBD selbst? Weil es nicht psychoaktiv wirkt, fällt es nicht unter das Betäubungsmittelgesetz und kann insofern legal erworben werden – noch. Aus Sicht des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bedarf „die Einzelsubstanz Cannabidiol (CBD)“ andererseits einer Zulassung nach der „Novel Food“-Verordnung. Darin hatte die EU im Jahr 2015 Cannabidiol als neuartig zu definierendes Extrakt gewertet. Eine Prüfung und etwaige Zulassung des Öls steht aus, und deshalb sind für das BVL „derartige Erzeugnisse bislang nicht verkehrsfähig“ (Stand: März 2019). .

Dass CBD nicht schädlich sei, entschied indes die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits 2017. Ein Verbot solle demnach nicht ausgesprochen werden, auch weil der Konsum keine Abhängigkeit erwarten lasse und also keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit bestehe. Rechtlich bindend ist diese Einschätzung aber nicht.

Rein ins Regal, raus aus dem Regal

Neben spezialisierten Anbietern sind auch ganz normale Drogerie-Ketten aufgesprungen auf den Zug – sie nahmen CBD-Öl ins Programm. Im April kündigten Rossmann und DM an, damit sei es schon wieder vorbei. Rossmann behielt nur CBD-haltige Drops und Kaugummis im Programm, DM dagegen schwenkte in Sachen Öl gleich wieder um. „Bis zur Klärung des rechtlichen Sachverhalts“, so Sebastian Bayer, Geschäftsführer für Marketing und Beschaffung bei DM, habe man sich entschlossen, ein „CBD-Öl mit fünf Prozent“ weiter anzubieten. „Wir überprüfen momentan juristisch die Entwicklungen bezüglich der ‚Novel Food‘-Verordnung und besprechen mit unserem Industriepartner verschiedene Möglichkeiten der rechtlichen Klassifizierung beziehungsweise Einordnung“, sagt er der taz. Über Verkaufszahlen möchte das Unternehmen nicht sprechen. Oder nur so viel: DM beobachte, dass sich die Kundschaft für das genannte Öl „interessiert“.

Einen kurzfristigen Erfolg bezeugen tatsächlich viele Menschen: In zahlreichen Internetforen schwärmt man von der allgemein verträglichen Wirkung bei Einschlafproblemen, sozialen Phobien und allgemeinen Stresssituationen. Auch Ältere, chronisch Kranke oder einfach Tablettenverdrossene bekunden die Wirkung der grünlichen Tropfen. Heilsame Effekte sind auch bereits in medizinischen Studien nachgewiesen worden – bei Entzündungen, aber sogar bei Epilepsie, Schizophrenie und neuerdings sogar bestimmten Krebsarten. Versprechen darf aber derzeit kein Anbieter, dass sein Produkt derlei kann.

Silke Schwartau von der Hamburger Verbraucherzentrale plädiert dafür, erst das europäische Zulassungsverfahren zum Verkauf von CBD abzuwarten. „Die Reihenfolge stimmt nicht ganz“, sagt sie. „Noch ist der Verkauf von CBD auch in Deutschland nicht zulässig. Ich halte es von den Händlern für zu verfrüht, jetzt mit dem Verkauf des Öls zu starten.“ Es seien gerade im Hinblick auf gesundheitsbasierte Richtwerte sowie mögliche Neben- und Langzeitwirkungen noch zu viele Fragen offen.

„Für Gesunde unbedenklich“

Für Maximilian Plenert, Mitglied im Vorstand des Bundesverbands für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik „Akzept“ mit Sitz in Berlin, sollte die Aufklärungsarbeit über CBD noch besser werden. „Mitnichten ist das Öl für jeden gut verträglich“, sagt er. Es könnten für chronisch kranke Menschen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten entstehen. „Wir reden daher lieber vom Regulieren als über wortwörtliche Legalisierung“, sagt Plenert. Demnach solle es nicht das Ziel werden, den möglichst freien Verkauf von CBD-Öl zu ermöglichen, sondern eine Regulierung und Aufklärung in Apotheken oder bei Ärzt*innen zu erreichen. „Sonst wird es noch CBD-Tote geben“, so Plenert.

Cannabidiol (CBD) wird aus der weiblichen Nutzhanfpflanze gewonnen. Es ist das darin zweithäufigst anzutreffende Cannabinoid – nach dem Tetrahydrocannabinol (THC). Anders als THC hat CBD keine berauschende Wirkung.

Wie genau CBD im menschlichen Körper wirkt, ist nicht ausreichend erforscht. Gleichwohl deuten mehrere internationale Studien auf eine Wirksamkeit hin: Demnach hat CBD schmerzlindernde, angstlösende und entzündungshemmende Eigenschaften.

Erhältlich ist CBD in Form von Hanföl unterschiedlicher Stärke; in Weichkapseln, als Paste zur äußerlichen Anwendung – oder als Blüte.

Auch Lebensmittel können CBD enthalten, etwa Kaugummis, Backwaren, Erfrischungsgetränke.

Für gesunde Menschen sei das Öl aber unbedenklich und könne gut als Tablettenersatz bei vielen Beschwerden helfen. Aus rechtlicher Sicht sei es aber auch für Plenert problematisch, dass die Tropfen bereits im offenen Handel erhältlich sind. „Ich rechne damit, dass die Produkte, die heute im Umlauf sind, so nicht mehr verkauft werden dürfen“, sagt Plenert. „Die Tropfen wirken bei jedem, der es nimmt, anders.“ Was aus seiner Sicht richtig sei: CBD könne manchen Menschen helfen, ihren Suchtdruck zu mindern. „Insofern ist CBD eher eine Ausstiegsdroge und das Gegenteil eines Rauschmittels.“

Will man es nun einfach mal ausprobieren, muss je nach CBD-Gehalt durchaus tief in die sprichwörtliche Tasche gegriffen werden: Bei einem Wirkstoffgehalt von fünf Prozent kosten zehn Milliliter Öl rund 30 Euro; erheblich teurer sind höher konzentrierte Öle, je nach Händler*in auch mal 120 Euro die Flasche.

Plenert zufolge ist allerdings unklar, inwiefern die Potenzen eine Rolle bei der Wirksamkeit spielen – zumal für regelmäßige Cannabis-Konsument*innen: Da sich die Dosierungsempfehlungen im Einige-Tropfen-am-Tag-Bereich bewegen, dürfte selbst bei relativ hoch konzentriertem Öl CBD nur in homöopathisch zu nennender Dosierung in den Körper gelangen. Und wer garantiert eigentlich, dass bei irgendwo im Internet bestellten Ölen überhaupt drin ist, was drauf steht? Auch ein Effekt der unklaren Rechtslage.

Bis auf Weiteres gilt wohl: Seriöse Händler*innen werden Produkte mit CBD weder als Wundermittel anpreisen noch irgendwelche Heilversprechen geben. Und die anderen? Deren Mails wandern einfach ungelesen in den Gelöscht-Ordner.