BERLIN UND DIE SIEBEN BERGE VII
KARLSBERG aka WILLI, Grunewald

Die gemeinen Berliner sind schon ein listig-lustiges Völkchen. Denken sich für ihre Sehenswürdigkeiten und Gebäude gerne ganz gaga Spitznamen aus. Nennen eine Nervenklinik Bonnies Ranch, achteckige öffentliche Pissoirs Café Achteck, den Fernsehturm am Alexanderplatz wahlweise Telespargel, Imponierkeule, Protzstengel oder auch St. Walter, den nervigen Verbindungsgang zwischen U2 und U6 im Bahnhof Stadtmitte Mäusetunnel, die Siegessäule Goldelse, das Ludwig-Erhard-Haus Gürteltier, die rot gekachelte Polizeiwache in der Brunnenstraße Red Bull und – um endlich zum Thema zu kommen – den 78,5 Meter hohen Karlsberg Willi. Die Erklärung dieses rätselhaften Namens für alle Nicht-Berliner (wie mich): Benannt wurde der Karlsberg nach Prinz Carl, dem dritten Sohn von König Friedrich Wilhelm III.

Meine Willi-Expedition beginnt mit dem Aufstieg auf den Grunewaldturm. Vor mir an der Kasse ein junger Vater mit drei Kleinkindern. Der Mann will nicht auf den Turm, nur für die Kids Eis kaufen. Alle drei haben aber verschiedene Unverträglichkeiten, die jetzt alle ausführlich Kind für Kind benannt werden. Der Vater lässt sich vom stoischen Kassenwart im Rentenalter die Liste mit den Zusatzstoffen geben. Diese ist länger als der Wahlzettel zur Europawahl. Der Vater geht jetzt Punkt für Punkt die aufgeführten Eissorten durch, erwägt für jedes Kind die eventuellen Risiken. Nach gefühlten 10 Minuten bricht der Vater seinen Monolog ab: „Wenn ihr euch nicht entscheiden könnt, gibt es eben kein Eis.“

Der Fotograf Fred Hüning ist in Schleswig-Holstein aufgewachsen. Dort ist der in der Holsteinischen Schweiz (sic!) gelegene Bungsberg mit 167,4 m die höchste Erhebung.

Von Fred Hüning