die woche in berlin
: die woche in berlin

Mit dem Antidiskriminierungsgesetz, das der Senat verabschiedet hat, setzt Rot-Rot-Grün ein Versprechen des Koalitionsvertrages um, mit dem geplanten Mietendeckel könnte die Koalition vielen BerlinerInnen wirklich effektiv helfen, aber den Streit zwischen zwei SenatorInnen um Abschiebungen aus Wohnungen wird wohl auch das frisch verabschiedete „Hau-ab-Gesetz“ nicht schlichten

Empowerment
für
SchülerInnen

Gesetz gegen Diskriminierung

Alle Menschen sind gleich. Das sagt unser Grundgesetz, und falls das jemand vergisst, kann man ihn ganz konkret mit den Paragrafen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dran erinnern. Allerdings: Dieses Gesetz soll vor Benachteiligung im Job schützen oder bei der Wohnungssuche. Eine wesentliche Gruppe war bisher immer außen vor: SchülerInnen an öffentlichen Schulen. Denn wenn Behörden oder öffentliche Institutionen diskriminierend handeln, greift das AGG nicht.

Das Landesantidiskriminierungsgesetz, das der rot-rot-grüne Senat am Dienstag beschlossen hat und das nun noch das Abgeordnetenhaus passieren muss, will diese veritable Gesetzeslücke schließen. Natürlich nicht nur mit Blick auf den Tatort Schule, aber eben auch.

Das ist richtig, weil notwendig: Hinter dem Schultor hören Beleidigungen, Übergriffigkeiten oder auch körperliche Angriffe ja nicht einfach auf. Warum sollten sie auch? Jugendliche geben antisemitische, homophobe oder frauenfeindliche Stereotype, die sie zu Hause oder wo auch immer lernen, schließlich nicht an der Klassenzimmertür ab.

Vor allem aber, das hatte eine Anfrage der Grünen an die Bildungsverwaltung Ende 2018 gezeigt: In ungefähr einem Drittel der (gemeldeten) Diskriminierungsvorfälle an Berliner Schulen waren LehrerInnen die TäterInnen. Auch LehrerInnen sind Teil der Gesellschaft da draußen vor dem Schultor, mitunter eben auch des weniger angenehmen Teils.

LehrerInnen sind aber nun mal, ganz ähnlich ArbeitgeberInnen, auch in einer absoluten Machtposition. Wer sich den Abischnitt nicht ruinieren will, weil wiederum der Numerus clausus an der Wunsch­uni drückt, hält eher mal die Klappe.

Womit wir bei der Frage wären: Wie wirksam wird dieses neue Gesetz mit Blick auf die Schulen sein? Gehe ich als diskriminierte SchülerIn auf Konfrontationskurs und streite – womöglich langwierig und mit der Gefahr zu scheitern – um Schadenersatz vor einem Gericht? Nichts sagen und weiter machen ist da vielleicht nicht die prinzipiell richtige, aber eine verständliche Entscheidung.

Und doch kann das Gesetz hilfreich sein, und zwar auf einer emotionalen Ebene. Ganz einfach, weil es sich mit einklagbaren Paragrafen im Rücken einfach selbstbewusster für die eigenen Rechte streitet. Statt Ungerechtigkeiten totzuschweigen, könnte also häufiger als bisher hinterm Schultor über diese Dinge gestritten werden – es muss ja nicht gleich vor Gericht gehen.

Und wenn diese Tatsache wiederum zu einer wachsenden Sensibilisierung an den Schulen und einem Gefühl des Empowerments auf Seiten der Opfer führt: Dann wäre durch das neue Gesetz schon eine ganze Menge gewonnen. Anna Klöpper

Eine effektive politische Steuerung

Lompschers geplanter Mietendeckel

Man hätte auf so etwas schon fast nicht mehr zu hoffen gewagt: Geht es nach Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei), dann verabschiedet Rot-Rot-Grün bald ein Gesetz, das den Mietenanstieg in Berlin tatsächlich stoppen würde: Zumindest für fünf Jahre, so lange dürften die Mieten in Berlin ab 2020 nicht erhöht werden. Modernisierungen müssten die VermieterInnen mindestens anzeigen und zum Teil auch genehmigen lassen. Bei einer Neuvermietung könnten sie höchstens die Miete verlangen, die schon der Vormieter gezahlt hat. Wer sich nicht daran hält, muss hohe Strafen zahlen.

Und es kommt noch besser: Lompscher will auch eine „allgemeingültige Miet­obergrenze“ definieren: Wer teurer wohnt, könnte dann sogar eine Senkung der Miete einfordern. Für den Berliner Mietmarkt, wo seit vielen Jahren immer nur alles nach oben geht, eine fast schon verwirrend andere Perspektive.

All diese Regelungen stehen in einem Eckpunktepapier aus Lompschers Verwaltung, das am Mittwoch bekannt wurde. Die Wohnungswirtschaft, durch die Enteignungsdebatte bereits aufgeschreckt, drohte umgehend mit Klagen. KritikerInnen monierten, so ein Gesetz sei nicht verfassungskonform. Sie warnten, dass VermieterInnen nicht mehr investieren, geschweige denn Wohnungen renovieren würden.

Eine Stadt, für Immobilienunternehmen wenig interessant, wo nicht alles durchsaniert ist, die an der ein oder anderen Stelle vielleicht alt aussieht – das erinnert ein bisschen an früher und dürfte in den Ohren vieler BerlinerInnen verlockend klingen. War doch schön, als man noch umziehen konnte, wann und wohin man wollte. Zugegeben: Damals war Berlin noch keine derart wachsende Stadt. Der Neubau müsste also trotz Mietendeckel weitergehen. Dem dürfte das Gesetz nicht im Wege stehen: Lompscher will Neubauwohnungen von den Regelungen explizit ausnehmen.

Sicherlich werfen die Pläne viele Fragen auf: Würden durch das Gesetz tatsächlich notwendige und sinnvolle Modernisierungen wie ein altersgerechter Umbau oder Wärmedämmungen verhindert? Wäre es rechtssicher? Und vor allem: Was passiert, wenn es nach Jahren von den Gerichten kassiert wird? Müsste das Land dann den VermieterInnen die Einnahmen erstatten, die ihnen entgangen sind?

Trotz aller Bedenken dürfte Lompscher sehr viele Menschen beim Mietendeckel hinter sich haben: Die Wohnkosten sind in den vergangenen Jahren explodiert, die BerlinerInnen geben laut einer Studie inzwischen im Schnitt fast die Hälfte ihres Einkommens für ihre Miete aus. Eine effektive politische Steuerung des Mietmarktes fehlte bislang. Längst hat sich der Eindruck verfestigt, dass der Staat in einer so grundsätzlichen Frage wie dem Wohnen ohnmächtig ist. Das geplante Gesetz könnte das ändern. Antje Lang-Lendorff

War doch schön, als man noch umziehen konnte, wann und wohin man wollte

Antje Lang-Lendorff über den Mietendeckel und was er bewirken könnte

Geisel strickt sich sein Recht

Richterbeschluss für Abschiebungen

Selten hat ein Senator in letzter Zeit so scharf gegen eine Kollegin polemisiert und sich dabei so weit aus dem Fenster gelehnt wie Innensenator Andreas Geisel (SPD) diese Woche. Im Streit um die Frage, ob die Polizei bei Abschiebungen einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss braucht, warf er Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) am Montag „Eskalation“ vor und behauptete, sie würde sich einer „politischen Lösung“ widersetzen. Zugleich offenbarte er ein merkwürdiges Rechtsverständnis, indem er behauptete, es gehe hier um „zwei unterschiedliche Rechtsauffassungen“. Und setzte noch eins drauf: „Wir setzen geltendes Recht in Berlin weiterhin um.“

Genau dies ist seit Jahren nicht der Fall – sagt der Flüchtlingsrat, sagen diverse Juristen, sagen das Berliner Kammergericht und das Oberverwaltungsgericht. Geltendes Recht in Deutschland ist das Grundgesetz, das die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert (Art. 13) und Durchsuchungen nur mit richterlichem Beschluss erlaubt. Und jetzt Achtung: Das GG gilt sogar für Flüchtlinge! Jedenfalls noch.

Dennoch dringt die Polizei in Berlin (und andernorts) seit Jahr und Tag ohne Durchsuchungsbeschluss in Wohnungen und Heime ein, um Menschen herauszuholen, die abgeschoben werden sollen. Denn die Innenverwaltung ist der Auffassung, man durchsuche die Wohnungen und Zimmer ja nicht, sondern betrete sie nur. Das ist zwar juristisch nicht haltbar, haben die erwähnten Gerichte festgestellt – aber Geisel beharrt, er habe eben eine „andere Rechtsauffassung“.

Diesem Agieren im de facto rechtsfreien Raum hat Breitenbach einen Riegel vorgeschoben, als sie Heimleiter vorige Woche anwies, die Polizei nur noch mit Durchsuchungsbeschluss hereinzulassen. Dass Geisel tobt, ist zwar aus seiner Sicht verständlich: Schließlich werden Abschiebungen nicht einfacher, wenn man jedes Mal einen Richterbeschluss braucht. Aber so ist das eben in einem Rechtsstaat. Auch wenn viele von ihm und seiner Durchsetzung nur reden, wenn es darum geht, zügiger und mehr abzuschieben.

Sie alle – inklusive Geisel – haben gehofft, dass sich der Streit in ihrem Sinne durch das „Hau-ab-Gesetz“ erledigt hat, das Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am gestrigen Freitag durch den Bundestag gedrückt hat. Ob dem so ist, wird aber erst die Zukunft erweisen: Denn einerseits steht in diesem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ explizit, dass ein Richterbeschluss notwendig ist, um Flüchtlinge aus ihren Wohnungen abzuschieben. Andererseits soll dies nicht gelten, wenn „Gefahr im Verzug“ ist. Was das genau heißt, werden wohl die Gerichte klären müssen.

Und man darf wetten: Wenn die Richter wieder nicht im Sinne Geisels entscheiden, handelt er eben nach seiner eigenen „Rechtsauffassung“. Susanne Memarnia