Kritik aus KZ-Gedenkstätte: Feindbild Antifa

Engagement gegen rechts verunglimpft? Pädagog*innen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme kritisieren Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda.

Ein Dackel sitzt vor Transparent mit der Aufschrift: "Gegen deutsche Zustände"

Kampf gegen den Rechtsextremismus ist das eine. Aber diese „ideologische Position“ hier? Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Worte hallen nach. Bei einer Gedenkveranstaltung am 3. Mai – Anlass war der 74. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager – hat Kultursenator Carsten Brosda (SPD) in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme eine Rede gehalten. Daran ist nun Kritik laut geworden: Der Senator habe die Gedenkfeier instrumentalisiert, „um die Antifa zu diskreditieren“ werfen ihm freie Pädagog*innen der Gedenkstätte in einer Stellungnahme vor.

Brosda hatte mehrfach die Bedeutung des Erinnerns für die Gegenwart hervorgehoben. Aber er sagte auch dass der „Antifaschismus zum breiten Konsens erklärt“ werde, beziehe sich auf „die Feststellung der gemeinsamen Verantwortung im Kampf gegen Rechtsextremismus“. Es bedeute nicht, „dass plötzlich auch alle weiteren ideologischen Positionen der so genannten Antifa breite gesellschaftliche Resonanz erwarten dürfen“. Und weiter: „Wer die offene Gesellschaft will, in der täglich aufs Neue entschieden werden kann, wie wir zusammenleben wollen, dem ist jedes geschlossene Gesellschaftsbild – ob von ganz rechts oder von ganz links – zuwider“.

Verwunderung im Saal

Schon während der Rede, zu der auch Überlebende des KZ und Nachfahren eingeladen waren, sei laut den Gedenkstättenpädagog*innen Verwunderung aufgekommen. Es sei „äußerst unangemessen“, dass der Senator die Gedenkfeier genutzt habe, um antifaschistische Aktivitäten und Aktivist*innen zu diffamieren, erklären sie.

„Das KZ Neuengamme war ein Ort, an dem tausende Menschen ermordet wurden, weil sie sich für den Widerstand gegen die Nationalsozialist*innen entschieden haben“, heißt es in dem Schreiben weiter. Sie halten Brosda zudem vor, links und rechts gleichzusetzen. Auf diese Weise entziehe sich die vermeintlich „gute Mitte“ einer Reflektion ihrer eigenen gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Anstatt die reale Gefahr durch „Neonazis und den rechten Volksmob“ zu benennen, nutze Brosda „lieber die 'sogenannte Antifa’ als Feindbild“.

Die Pädagog*innen fragen außerdem, wo Brosda den „vermeintlichen Konsens Antifaschismus“ sehe. Konsens sei in der Bundesrepublik vielmehr „das Beschweigen der NS-Verbrechen, die Reintegration der Täter*innen und die Weigerung, ehemals Verfolgte angemessen zu entschädigen“. Die Entstehungsgeschichte der Gedenkstätte zeige das: Erst der jahrzehntelange Kampf von Überlebenden, Angehörigen und Häftlingsverbänden habe den Gedenkort ermöglicht.

Senator bedauert „Missverständnis“

Die Kritik sei dem Senator bekannt, sagt Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde. In seiner Rede habe Brosda sich für die gemeinsame Verantwortung im Kampf gegen Rechtsextremismus ausgesprochen und für eine offene Gesellschaft geworben, der jedes geschlossene Gesellschaftsbild zuwider sei. Brosda bedauere „das Missverständnis bei einigen Zuhörern, da es ihm um die Würdigung des Engagements gegen Faschismus und Rassismus ging“, so Isermann.

Die Pädagog*innen betonen hingegen: „Antifa ist nicht die Gefahr eines 'geschlossenen Gesellschaftsbildes’, sondern die Entschlossenheit, gegen rechte Tendenzen, auch in der Mitte der Gesellschaft, vorzugehen.“

Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme wurde zum 60. Jahrestag der Befreiung im Mai 2005 eröffnet. Sie umfasst heute nahezu das gesamte historische Lagergelände in einer Größe von 57 Hektar mit 17 aus der KZ-Zeit erhaltenen Gebäuden. Sie ist damit eine der größten Gedenkstätten in Deutschland

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