wortwechsel
: Primäre und sekundäre Botschaften

Armeewerbung? Ist rassistisch, lassma lieba, meint ein Leser. Grüne Industriepolitik? Gerne, aber ohne Atomkraft, bitte, sagen zwei Leser. Plastiktüten sparen bringt’s, meint einvierter

Schön wär’s. Irgendwer ist immer bereit zu dienen Foto: Stefan Boness/Ipon

Rechts und militant

„Anecken statt zweimal checken“,

taz vom 6. 6. 19

Die Bundeswehr hat mit ihren aktuellen Plakaten mit dem Slogan „Gas, Wasser, Schießen. Handwerker (M/W/D) gesucht. Mach, was wirklich zählt“ bereits vielfach Kritik geerntet. Einige sehen in einer derart prominenten Verwendung des Wortes „Gas“ auf einem Werbeplakat der deutschen Streitkräfte eine Anspielung auf das Dritte Reich, andere stören sich daran, dass Schießen (auf Menschen) als etwas dargestellt wird, „was wirklich zählt“. 
Auch mit dem Motiv: „Holma, Lassma, Tuma? Unsere Azubis haben noch richtige Namen“ greift die Düsseldorfer Agentur Castenow, die seit 2015 die millionenschwere Kampagne gestaltet, daneben, und angesichts der sich häufenden Anspielungen, die bei den verschiedenen Motiven zu finden sind, kann nicht mehr von einem Zufall ausgegangen werden.

„Hol’ma, lass’ma, tu’ma“ könnte problemlos als das verstanden werden, was primär ausgesagt werden soll, nämlich, dass Auszubildende gerne für unliebsame Aufgaben ausgewählt werden. Allerdings hat die Werbung eine deutliche sekundäre Botschaft: Es gibt „richtige“ Namen, die nicht so klingen wie „Holma, Lassma, Tuma“ und die Bundeswehr legt Wert darauf, dass Menschen mit solchen Namen, also aus einem bestimmten Kulturkreis, bei ihr arbeiten. Das ist schlicht rassistisch. 
Eine Werbekampagne, die nunmehr im vierten Jahr mit einem solchen Budget gefahren wird und so häufig kritisiert wurde, kann nicht mehr so tun, als seien diese Doppeldeutigkeiten nicht beabsichtigt. Dass aus Versehen rassistische, menschenverachtende (und unethische und geschmacklose) Inhalte produziert werden, ist nicht glaubwürdig.

Diese Kampagne soll eine freche Bundeswehr darstellen, die sich nicht scheut, Dinge zu sagen, die nicht alle gut finden, um eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen. Alarmierend ist, wenn die Kampagne Anspielungen verwendet, die ebenfalls eine bestimmte Zielgruppe anspricht. Eine Zielgruppe, die Schießen als wirklich wichtig erachtet und findet, dass viele Azubis keine „richtigen“ Namen mehr haben, lässt sich ohne Schwierigkeiten als rechts und militant bezeichnen. Warum eine Demokratie die Rekrutierung eines solchen Teils ihrer Bevölkerung für ihre Streitkräfte anstreben sollte, ist mir völlig schleierhaft. Carlo Frisch, Hildesheim

Wer macht denn so was

„Geht’s noch? Zu viel Müll im Beutel“,

taz vom 8./9./10. 6. 19

Volle Zustimmung dafür, dass Sie zu dem Schluss kommen, wir müssen unseren Konsum drastisch einschränken. Aber Argumentationen à la „Dein Plastiktütensparen bringt überhaupt nichts, wenn du gleichzeitig bei H&M kaufst“ oder „Wenn du vegan lebst, rettest du ja nicht das Klima, weil du Avocados isst und fünfmal im Jahr fliegst“ sind nicht zielführend. Wer macht denn so was?

Auf Plastik oder Fleisch zu verzichten zeigt doch, dass bei den jeweiligen Personen ein klares Bewusstsein für die Notwendigkeit vorhanden ist, sich klima- sowie mitweltfreundlich zu verhalten und den Planeten sowie andere Lebewesen nicht weiter auszubeuten.

Niemand ist („nur“) radikaler Plastikvermeider und wirft gleichzeitig seinen Elektroschrott in den Fluss nebenan. Dieses Bewusstsein wird sich auch in anderen Lebensbereichen niederschlagen. Die Summe macht es dann und da können wir als Einzelne durchaus eine Menge bewegen! Arne Fürst, Hamburg

Immer mehr Risse

„Gesucht: eine grüne Industriepolitik“,

taz vom 1. 6. 19

Prinzipiell finde ich den Text gar nicht so schlecht, aber über Kernfusion hätte sich der Autor besser informieren sollen: Sie wird seit Jahrzehnten mit Milliarden erforscht, alleine das Projekt „ITER“ kostet vermutlich circa 15 Milliarden! Und obwohl oder vielleicht auch weil sie der Einsatzreife kaum näher kommt, wird dafür mehr als für die erneuerbaren Energiequellen zusammen ausgegeben.

Verwunderlich ist das nicht, denn die Reaktionsbedingungen sind extrem: Eine Temperatur von 150 Millionen Grad bei einigen Bar Druck – das hält kein Material der Welt aus und das Reaktionsplasma kann nur durch gigantische Magnetfelder zusammengehalten werden!

Die Reaktion ist die gleiche wie bei einer Wasserstoffbombe, nur kontrolliert, entsprechend hoch sind die Risiken. Verglichen damit ist die Belastung der Reaktoren normaler Kern(spaltungs)kraftwerke lächerlich und doch bekommen die immer mehr Risse. Schließlich brauchen Fusionsreaktoren auch noch schweren Wasserstoff als Brennstoff, der zwar überall in Spuren im normalen Wasser enthalten, aber auch wieder nur begrenzt vorhanden ist! Wir kämen damit vom Regen in die Traufe, auch was die Zentralisierung, Abhängigkeit von Konzernen und die Kosten beträfe!

Dabei haben wir mit Wind-, Solar- und (begrenzt) Biomassekraftwerken weitgehend ausgereifte Technologien zur Verfügung, die bezahlbar und fast überall einsetzbar sind, keine endlichen Ressourcen brauchen und wesentlich mehr Arbeitsplätze schaffen, als Kernfusion je bieten könnte – denn dabei geht das Geld vor allem für extrem teure Technik drauf!

Was für die volle Versorgung mit erneuerbarem Strom derzeit noch fehlt, sind kurz-, mittel- und langfristige Speicher, Akzeptanz und der politische Wille, das lukrative Geschäft mit den klimaschädlichen Technologien zu beenden und günstige Rahmenbedingungen für den großflächigen Einsatz von Speichern zu schaffen. Daran krankt es derzeit vor allem, die Technik ist zwar noch nicht perfekt, aber wesentlich weiter entwickelt als die der Kernfusion! Werner Behrendt, Oldendorf

Irgendwann zeitnah

„Gesucht: eine grüne Industriepolitik“,

taz vom 1. 6. 19

Der Beitrag von Nils Heisterhagen lässt einen an manchen Stellen ratlos zurück. Zitat: „Die Kohlekraftwerke gehen ohnehin irgendwann zeitnah vom Netz.“ Ja, was nun? Irgendwann oder zeitnah? Das Ausstiegsjahr 2038 für Deutschland (das noch nicht mal gesetzlich fixiert ist) ist jedenfalls zu spät, wenn man es an dem misst, was Experten nach dem Pariser Klimagipfel als nötig bezeichnet haben: Ausstieg in den Industrieländern bis 2030, in China bis 2040, im Rest der Welt bis 2050. Die zerstörerischen Arbeitsplätze der Vergangenheit wiegen hierzulande anscheinend schwerer als die zukunftstauglichen Arbeitsplätze.

Der Rat, nicht eingleisig auf das E-Auto zu setzen, ist wohl richtig. Allerdings sind die synthetischen Kraftstoffe im Gegensatz zum im Überfluss vorhandenen Strom noch zu teuer. Hier könnten ein hoher CO2-Preis oder eine CO2-Steuer helfen.

„In der Forschungspolitik liegt wohl das größte Potenzial im Kampf gegen den Klimawandel“, meint Heisterhagen. Lösungen, die erst noch erfunden werden müssen, kommen definitiv zu spät! Dringlich wäre, die Behinderung der vorhandenen Lösungen (erneuerbare Energien) endlich aufzugeben (Ausschreibungspflicht im EEG, unsinnige Abstandsregeln für Windkraft in Bayern und anderen Ländern).

Dringlich wären auch ein Tempolimit, und besonders große und schwere Autos, die gerade einen Boom verzeichnen, nicht mehr zuzulassen. Sie tragen nicht nur zum Klimaproblem bei, sie rauben uns auch den Platz in Stadt und Land: Der ADAC fordert schon größere Parkhäuser für diese Ungetüme und die Straßen werden auch immer mehr und immer breiter und gefährlicher!

Dann empfiehlt er zusätzliche Milliar­den für die Erforschung der Kernfusion, „die vielleicht die Energiequelle der Zukunft sein könnte“. Begründung: „Die Atomenergie wurde auch durch staatliche Förderung entwickelt.“ Ja, das ist ja gerade das Problem! Im Bemühen, das Image der Atomenergie, die ihr Debüt als Bombe hatte, zu verbessern, wurde die Strom­erzeugung aus ihr herbeigezwungen und mit viel Steuergeld gefördert. Mit der Unfallgefahr müssen wir uns heute und mit dem strahlenden Müll müssen sich noch sehr viele Generationen nach uns herumschlagen – und wieder muss der Steuerzahler herhalten. Eduard Belotti, Augsburg