Die Wahrheit: Senderortung, welche Senderortung?

„Ein korpulenter Mann in hellblauem Anzug winkte mir zu und lud mich ein: „Kommen Sie, wir haben das Radio schon eingeschaltet!“

Wir müssen die Quelle der Übertragung finden“, entschied der Techniker. Weil ich von solchen Dingen überhaupt nichts verstand, fragte ich: „Wie denn?“ – „Ist doch egal“, meinte der Techniker. „Hauptsache, man kann Sender damit endlich orten.“

Wir packten alles, wie es auch heißen mochte, in seinen Lieferwagen. Der Techniker schloss sämtliche Geräte an und versorgte sie mit Strom aus der Benzinpumpe. Ich wurde angewiesen, die Richtantenne für die Funkpeilung zu halten. Sofort waren wieder die nichtmenschlichen Stimmen zu hören.

Die Fahrt begann. „Kann der Sender unter Umständen nicht Hunderte oder Tausende von Kilometern weit weg sein?“, fragte ich. „Keine Sorge“, beruhigte mich der Fachmann, „es muss hier irgendwo in der Nähe sein. Das fühle ich.“

Wir fuhren die enge alte Hauptverkehrsstraße neben der Bahnlinie entlang und dann die erste Querstraße links bergauf. Dem Pegelausschlag des Anzeigegeräts war selbst ohne Lupe zu entnehmen, dass wir uns wahrhaftig dem Sender näherten. Schließlich hielt der Techniker den Wagen in einem stillen Sträßchen an, direkt vor einem eingeschossigen, offensichtlich seit Langem verlassenen Haus. Im Vorgarten wucherten Gras und Wildkräuter, vom Zaun war nichts mehr übrig. Der Techniker kommentierte: „Hier ist es. Da drin muss der Sender sein. Sehen Sie sich den Pegelausschlag an.“

Er hatte recht, es konnte keinen Zweifel geben. „Was jetzt?“, wollte ich wissen. Wie aus einer anderen Geschichte antwortete der Techniker: „Wir müssen warten, bis eine Straßenbahn hier hält.“ Das fand ich unsinnig. In dieser schmalen Siedlungsstraße würde niemals eine Straßenbahn verkehren. Doch bevor ich diese Tatsache erwähnen konnte, entstand eine Straßenbahn als grundloses Ereignis auf der Photonenebene. Sie war völlig leer, nicht einmal einen Fahrer gab es. Die Türen öffneten sich hydraulisch, und der Techniker stieg schnell ein.

„Machen Sie schnell“, rief er mir zu, „die Bahn fährt gleich ab!“ Obwohl ich es nicht verstand, beschloss ich, ihm zu folgen. Allein zurückzubleiben hatte keinen Sinn. Doch plötzlich lag eine große schwarze Masse vor meinen Füßen. Ob aus Materie bestehend oder nicht, hinderte sie mich daran, auch nur einen Schritt vorwärts zu machen. Mit Lauten und Gesten forderte mich der Techniker auf, ebenfalls einzusteigen. Ich versuchte es unter Aufbietung aller Kraft, schaffte es aber nicht. Die Tür schloss sich.

Der Techniker sah durch das Fenster zu mir heraus. Sein Gesichtsausdruck wirkte, als sei es lebenswichtig für ihn, dass ich mitfuhr. Die Bahn setzte sich in Bewegung. In ihrem Inneren erlosch das Licht, dann verschwand sie restlos. Hinter mir rief jemand meinen Namen. Ich drehte mich um. Vor der geöffneten Haustür des verlassenen Hauses stand ein korpulenter Mann in hellblauem Anzug. Er winkte mir zu und lud mich ein: „Kommen Sie, wir haben das Radio schon eingeschaltet!“

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