Die Spur führt nach Jordanien

TRANSPLANTATIONSSKANDAL Einer der in Göttingen verdächtigten Mediziner soll schon früher Organempfänger begünstigt haben. Ermittlungen ausgeweitet

Der Göttinger Transplantationsskandal wirft immer neue Fragen auf: Sind durch das Fälschen von Krankenakten an der Universitätsklinik Patienten gestorben, weil sie auf der Warteliste für Leber-Transplantationen nach unten rutschten? Wie viele Mediziner und Mitarbeiter waren beteiligt? Und: Gab es ähnliche Vorfälle auch an anderen Krankenhäusern?

Die Staatsanwaltschaften in Braunschweig und Göttingen ermitteln bislang gegen zwei leitende Mediziner wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und wegen Bestechlichkeit in 23 Fällen. Einer ist der frühere Leiter der Abteilung für Transplantationschirurgie. Der 45-Jährige war vor Monaten unter Verdacht geraten, einen russischen Patienten bei einer Lebertransplantation bevorzugt zu haben, zumindest in diesem Fall soll Geld geflossen sein. Vor zehn Tagen bestätigte die Göttinger Universitätsmedizin – sie hatte sich Ende 2011 von dem Mann getrennt – die weiteren Verdachtsfälle.

Neu hinzu kamen Vorwürfe gegen den Chef der Abteilung Gastroenterologie: Der 60-Jährige war laut Staatsanwaltschaft mit Voruntersuchungen von Patienten befasst, die in Göttingen auf eine Transplantation warteten. Die Ermittler prüfen, ob die beiden Laborwerte, Dialyseprotokolle, Krankenakten oder anderen Daten fälschten.

Die Universität hat den Magen-Darm-Spezialisten vorerst freigestellt. Seine Wohnung und sein Arbeitsplatz wurden durchsucht, Unterlagen und Computer beschlagnahmt. Beide Ärzte waren gestern nicht zu erreichen.

Zumindest einer der Verdächtigen ist schon früher einschlägig aufgefallen. In Regensburg soll er 2005 jordanische Patienten verbotenerweise auf die europäische Warteliste für Transplantationen gesetzt haben, eine Leber soll zudem in Jordanien verpflanzt worden sein. Die Geschichte flog 2006 durch eine Prüfung der Bundesärztekammer auf. Die Göttinger Universität will von den Regensburger Vorfällen nichts gewusst haben.

Inzwischen geht die Staatsanwaltschaft sogar Hinweisen auf mögliche Unregelmäßigkeiten in den 1990er Jahren nach. Die Göttinger Uniklinik habe entsprechende Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters weitergeleitet, so Staatsanwältin Serena Stamer. Medienberichten zufolge sollen zudem Akten an der Medizinischen Hochschule Hannover überprüft worden sein, wo einer der Beschuldigten zwischen 1999 und 2001 Assistenzarzt gewesen sei. RP