Der Kreis schaltet

ZIMTFARBEN UND KONZERNE Was macht Berlin mit den Spaniern, die hierherkommen. Und was machen die spanischen Künstler mit Berlin? Die Ausstellung „Circuito Berlín“ im Instituto Cervantes gibt Antworten

Die Szene ist heterogen, vor der Krise geflohen ist fast keiner

VON CATARINA VON WEDEMEYER

Berlin habe vor allem die Farben verändert, erklärt der Maler Antón Lamazares. „Subtiler, feiner, geduldiger“ seien seine Bilder geworden, seit er in Deutschland wohnt. Das metergroße Wandbild, das die Kuratorin Marisa Maza für die Ausstellung Circuito Berlín ausgesucht hat, ist in hellem Zimtbraun gehalten, man erkennt hausähnliche Strukturen, vielleicht Äcker. Lamazares’ Bild ist Teil einer Ausstellung, die in Berlin arbeitende spanische Künstler im Instituto Cervantes zusammenbringt. Die Omnipräsenz der spanischen Künstler in Berlin bezeichnet Gaspard Cano Peral, Leiter des Instituto Cervantes, als „nahezu anekdotisch“.

Aber – auch wenn es so aussieht – die Spanier kommen nicht nur nach Neukölln, um hier eine kreative Arbeitslosigkeit im weitesten Sinne zu zelebrieren, sie produzieren auch. Das beweist eine Ausstellung wie Circuito Berlín, Schaltkreis Berlin, die von der spanischen Botschaft finanziert wurde und derzeit im Instituto Cervantes zu sehen ist. Es handelt sich um eine Neuauflage der Ausstellung Destino Berlín, Zielort Berlin, die vor einem Jahr im Künstlerhaus Bethanien untergebracht war. Damals waren vor allem unbekannte Subkulturspanier zwischen 20 und 30 vertreten, diesmal sind die arrivierteren Künstler dran, die meisten sind schon um die 40. Im Gegensatz zu den Neuankömmlingen leben und arbeiten viele der für die Schaltkreis-Ausstellung ausgesuchten Künstler schon seit mehreren Jahren in Berlin. Hier finden sie die Inspiration, den Strom, den sie brauchen, um sich einzuschalten und um sich kurzzuschließen. Die Szene ist heterogen, vor der Krise geflohen ist fast keiner.

Das jedenfalls behaupten Cynthia Viera und Pablo San José, die sich unter dem Namen PSJM zusammengetan haben. Wirtschaft spielt in ihren Zeichnungen trotzdem eine unverkennbare Rolle: Kleine Männchen werfen das Logo des Pharmaziekonzerns Bayer von einem Hochhaus, bearbeiten das T von Telekom mit Hämmern oder schieben das Firmenemblem der Deutschen Bank Richtung Abgrund. Das ist habhafte Kapitalismuskritik: „Diese Konzerne fressen die Drittweltländer regelrecht auf“, kommentiert Viera die Bilder und erklärt, wie die Global Player von der momentanen Schuldenkrise profitieren.

Der Fotografin Mar Martín geht es um Intimeres. Auf den Bildern der Serie „Venusnebel“ will die 28-Jährige das Lebensgefühl der Berliner Europäerinnen erfassen, indem sie ihre Köpfe weiß verwischt oder wolkig einstäubt. Harmlos ist das nicht, denn der „Venusnebel“, den sie im Titel aufruft, besteht aus korrosiver Schwefelsäure. „Sie verschwinden hinter der Unsicherheit, der Entscheidung, zu bleiben oder zu gehen“, so die Künstlerin. Während Mar Martín die Verunsicherung thematisiert, verunsichern Libia Castro und Ólafur Ólafson absichtlich: Mit dem Schriftzug „Your Country Doesn’t Exist“ sind sie schon um die halbe Welt gezogen und haben es in fast jede Sprache übersetzt.

Die meisten Werke der Ausstellung thematisieren Nationalität, manche spielen mit Klischees und arbeiten mit Objekten ihrer Heimat. So findet der Betrachter Palmenblätter in den Collagen von Eli Cortinas, bestickte Flamencotücher in der Installation des deutsch-spanischen Künstlerduos Discoteca Flaming Star oder spanisches Gemüse in den „Kleingärten“ von Noemi Larred. Andererseits erkennt man gerade an diesen Kleingärten, wie sehr die Künstlerin schon von Berlin beeinflusst ist, man denke an sämtliche Pflanzentauschprojekte, „Urban Gardening Happenings“ oder die Guerilla-Gärtner.

In einigen Werken lässt sich schon ein postglobalisiertes Bewusstsein erkennen: Wie man sich in Transiträumen zu Hause fühlt, zeigt auf eindrucksvolle Weise ein Kofferkunstwerk von Chema Alvargonzález, in dem ein Mädchen auf einem Foto in einer Wartehalle schläft. Wie Orte zu Nichtorten werden können, erlebt der Betrachter in den gespiegelten Fotografien von Berliner Hausfassaden und U-Bahn-Schächten der Künstlerin Connie Mendoza. Und mit den improvisiert scheinenden Wänden von Lorenzo Sandoval liegt der Ausstellung insgesamt ein Konzept zugrunde, das auf den Mobilitätszwang verweist, dem die globalisierte Gesellschaft ausgesetzt ist. So erfährt der Besucher nicht nur von den Lebensrealitäten der spanischen Künstlerszene in Berlin, sondern auch von einer Gegenwart, die über ortsgebundene Spezifika hinausgeht. Der Kreis schaltet.

■ Circuito Berlín im Instituto Cervantes. Bis 10. August