„Wahrheit sagen“

Die Kanzlerbrief-Inszenierung war Betrug an der Öffentlichkeit: Interview mit Karoline Linnert (Grüne)

taz: Wie bewertet die Opposition die Inszenierung des Kanzlerbriefs und ihr schlussendliches Ergebnis?Karoline Linnert, Fraktionsvorsitzende der Grünen: Ich sehe in dem ganzen Vorgang einen Betrug an der Öffentlichkeit. Über Jahre wurden wider besseres Wissen so getan, als könne der Kanzlerbrief Geld in den konsumtiven Haushalt schaufeln.

Ist das jetzt der Anfang von Henning Scherfs Ende?Der Anfang vom Ende liegt viel weiter zurück. Das hat spätestens angefangen, als das Betrugsmanöver mit dem Kanzlerbrief erfunden wurde. Das war der Abschied von einer verantwortlichen Politik.

Was soll die große Koalition jetzt tun?Die Wahrheit sagen. Der Bevölkerung schnell sagen, welche Einschnitte sie zu erwarten hat und mit ihr eine Diskussion darüber führen, welche Schwerpunkte in den nächsten Jahren gesetzt werden sollen. Was auf keinen Fall geht: irgendwelche abstrakten Finanzzahlen beschließen und hoffen, dass keiner merkt, welche Katastrophen das in den Ressorthaushalten auslösen wird.

Es wird wieder massiv an die Sozialausgaben gehen. Haben Sie ein Szenario vor Augen?Wenn die Finanzpolitik so weitergeht, wird wieder nur quotal gekürzt und am Ende des Jahres festgestellt, dass es nicht geklappt hat. Zwischendurch fließt noch ordentlich Blut, indem man auch noch den letzten Initiativen den Hahn abdreht. Das ist falsch. Die Spielräume für kommunale Sozialpolitik sind sowieso sehr eng geworden. Wir machen so auf eine andere Art Schulden zu Lasten der Zukunft.

Fragen: sgi