„Abschiebehaft privatisieren“

Die Abschiebehaft, derzeit der Polizei unterstellt, sollte privatisiert werden, schlägt der Grüne Innenpolitiker Matthias Güldner vor. Polizisten seien für Häftlingsbetreuung nicht ausgebildet

taz: Die Bremer Grünen fordern, dass die Abschiebehaft künftig in privater Trägerschaft stattfindet. Was meinen Sie?Matthias Güldner: Wir wollen grundsätzlich natürlich die Abschiebehaft so weit wie möglich reduzieren. Sie muss zwar in staatlicher Verantwortung durchgeführt werden, aber die verantwortliche Polizei könnte die Betreuung und Versorgung der Gefangenen an einen freien Träger abgeben.

Auslöser für diesen Vorschlag sind sexuelle Übergriffe von Polizisten auf gefangene Frauen in ungeklärtem Umfang. Würden andere Strukturen solche Vorkommnisse ausschließen?

Grundsätzlich kann man nichts ausschließen. Aber wir als Grüne haben schon seit Jahren auf die Missstände im Abschiebegewahrsam und das Fehlen von kontinuierlicher Sozialarbeit und weiblichen und männlichen Ansprechpartnern hingewiesen – was aber vom zuständigen Innensenator immer verweigert wurde. Eine qualifizierte Betreuung macht Übergriffe unwahrscheinlicher. Vor allem aber gäbe es eine Struktur, die solche Missstände schneller aufdecken würde.

Wäre Ihr Modell teuer?

Bisher hat der Innensenator das nicht geprüft. Wir haben derzeit bis zu 50 Beamte in fünf Schichten eingesetzt. Jetzt will der Senator das Personal bis auf zwei Beamte durch Angestellte ersetzen. Das kostet auch.

Es hat ein langes Tauziehen um die rechtliche Grundlage für den Abschiebevollzug gegeben, dem folgte eine Gewahrsamsordnung, mit der die Grünen nie zufrieden waren. Muss man im Licht der Vorkommnisse erneut an dieses Thema gehen?

Ja. Wir haben es zwar geschafft – obwohl wir da als kleine Opposition eine große Koalition vor uns her treiben mussten –, dass eine gesetzliche Grundlage für den Abschiebegewahrsam in Bremen erlassen wurde – und dann auch die Gewahrsamsordnung. Beides reicht allerdings so nicht aus. Wir haben einen Anstaltsbeirat durchsetzen können – allerdings wollten wir mehr Rechte und Funktionen, als die große Koalition verabschiedet hat. Wir haben auch durchsetzen können, dass es Sozialarbeit gibt – dies findet nur in einer Schmalspurversion statt. Man muss also sowohl bei den rechtlichen Grundlagen nachbessern als auch die konkrete Umsetzung durch Innenbehörde und Polizei verbessern.

Rechtswissenschaftler haben lange beklagt, dass Häftlinge im Gewahrsam kein Beschwerderecht hatten und sich an niemanden wenden konnten – außer an Polizisten, die aber möglicherweise der Anlass der Beschwerde gewesen wären. Ist das ausreichend verbessert worden?

Wir Grüne wollten regelmäßige Sprechstunden beim Leiter des Gewahrsams und dass es verbindliche Verfahrenswege für Beschwerden gibt sowie klare Vorgaben zu deren Bearbeitung. Das ist nicht gekommen. Kürzlich konnte man – durch die indirekte Kritik des Innensenators am Gewahrsamsleiter, indem dieser umgesetzt wurde – sehen, dass die Regelungen nicht ausreichen. Sowohl ein freier, möglicherweise kirchlicher Träger als auch kontinuierliche Sozialarbeiter könnten Ansprechpartnerfunktionen übernehmen. Im Weiteren bedarf es der rechtlich verbindlichen Regelung für Beschwerden, wie es im Umgang mit Behörden allen Bürgern zusteht.

Die SPD hat ein Bleiberecht für die Zeuginnen im Missbrauchs-Skandal gefordert, für jene Frauen also, die Opfer des sexuellen Missbrauchs wurden. Unterstützen Sie das?

Das ist eine heikle Frage. Klar ist, dass das Vorhaben von Innensenator und Polizeipräsident daneben ist, die Frauen im Ausland befragen zu lassen. Mit wenig Phantasie kann sich jeder vorstellen, was eine Befragung über erlittenen Missbrauch durch westafrikanische, mongolische oder osteuropäische Behörden den Frauen an Nachteilen bringen kann. Eine Möglichkeit ist also, sie zurückzuholen. Das muss aber mit einer Perspektive verbunden sein. Man kann sie nicht holen und dann ihrem Schicksal überlassen. Aber ich habe bisher keine Signale gehört, dass damit entsprechend umgegangen würde.

Haben Sie Signale, dass Ihre Forderung nach privater Trägerschaft Zuspruch finden könnte?

Einig sind sich interessanterweise alle darüber, dass die Polizei nicht der richtige Träger für die Unterbringung und Betreuung von Menschen über den Zeitraum von 48 Stunden hinaus ist. Da stimmt auch der CDU-Kollege Herderhorst zu, der allerdings der traumtänzerischen Variante anhängt, diesen Bereich dem Justizsenator, also quasi dem Strafvollzug anzuhängen – was die Justizbehörde kategorisch ablehnt. Aus dieser Lage heraus könnte unser Vorschlag ein interessanter dritter Weg zur Lösung eines Problems sein, das die Polizei und Inneres schon lange vor sich herschieben. Es wäre zudem ein Bremer Weg, staatliche Aufgaben auszulagern, den auch wir Grüne sinnvoll fänden.

Interview: Eva Rhode