Energetische Schneisen

Beim „Women in (E)motion“-Festival brachte Kristi Stassinopoulou Folklore mit Goa-Trance zusammen, beim Jazzfest Delmenhorst gab es Weihnachtshits in neuen Kleidern

Gleich zwei musikalische Großereignisse stellten am Wochenende die Terminplanung von MusikliebhaberInnen vor unangenehme Probleme: In Delmenhorst gab es das 15. Jazzfest, in Bremen und umzu lief das „Women in (E)motion“- Festival.

Beim Jazzfest gestaltete das Songsong Quartett des jungen Pianisten Oliver Poppe mit Gastsaxophonist Martin Classen im Delmenhorster Kleinen Haus ein melodietrunkenes Eröffnungsset: Poppe zeigte in seinen Kompositionen ein Faible für dramatische harmonische Wendungen und Steigerungen, die durch rhythmische Finessen akzentuiert werden. Die Sanglichkeit der Themen wurde durch die Bläserlinien unterstrichen, und in den Soli bereicherte insbesondere Christian Kappe am Flügelhorn den normalerweise weichen Klang mit scharfen Kanten.

Anschließend präsentierte Christof Lauer sein Projekt „Heaven“: Zusammen mit dem norwegischen Arrangeur Geir Lysne und dem grandios aufspielenden Blechbläserquintett Norwegian Brass verpasste die Band Weihnachts- und Kirchen-Hits wie „Es ist ein Ros’ entsprungen“ oder „Kommet ihr Hirten“ neue Kleider. Saxophonist Lauer schlug dabei immer wieder wilde, energetische Schneisen in die Harmonien des Ausgangsmaterials. Und die Blechbläser reizten die Möglichkeiten ihrer Instrumente aus: die Tuba verwandelte sich in ein grummelndes Didgeridoo, helle Fanfarenklänge der Bläser durchbrachen getragene Melodiefolgen. Ein beeindruckendes Projekt und ein großartiger Auftritt.

Eine ganz andere Stimmung herrschte dagegen am Samstagabend im Schlachthof beim Konzert der griechischen Sängerin Kristi Stassinopoulou im Rahmen des “Women in (E)motion“-Festivals. Die griechische Gemeinde war erstaunlicherweise kaum vertreten, alternatives Publikum war dafür zahlreich gekommen, und das passte gut zur Hippie-Attitüde, die Stassinopoulou outfitmäßig verbreitete.

Stassinopoulous Musik lebt von eigenwilligen Kontrasten. Auf der einen Seite griechische, balkanische und mediterrane Folkloretraditionen, auf der anderen Seite Sample- und Drumcomputer-Sounds zwischen Goa-Trance und Dub. Ebenso kontrastreich die Instrumentierung: Die traditionelle Kniegeige Lyra flirtet mit einer meist zurückhaltenden E-Gitarre, ein indisches Harmonium wetteifert mit einer Melodica.

Stassinopoulou singt vorwiegend getragene, leicht elegische Linien, die aber nicht ätherisch werden. Ab und zu wurde es auch ekstatischer, prägendes Element blieben aber auch im akustischen Bereich trance-artige Stimmungen. Charmant führte Stassinopoulou auf Englisch durchs Programm und erzählte zu jedem Stück eine kleine Geschichte. Zurück blieb ein begeisteres Publikum. Arnaud