„Wie ein Vater“

Der Bremer Landesrabbiner Benyamin Barslai feiert seinen 80sten Geburtstag – und sucht langsam einen Nachfolger im Amt

bremen taz ■ „Nicht viel Wesens“ will Bremens Landesrabbiner Benyamin Barslai von seinem Geburtstag morgen machen – obwohl es immerhin sein achtzigster ist und er damit der wohl älteste amtierende Rabbiner in Deutschland.

Seit 18 Jahren führt Barslai als Rabbiner, Richter und Kantor die jüdische Gemeinde in Bremen. Ihre Mitgliederzahl hat sich seitdem von 120 auf rund 1.300 verzehnfacht. Leichter geworden ist es für den Rabbi schon deshalb nicht. Auch hat sich Vieles verändert. Zwar war Barslai 1985 in Bremen angetreten, „das deutsche Judentum wieder aufzubauen“. Da hatte der Sohn des ehemaligen Bensheimer Rabbiners Salomon Biegeleisen seine Ausbildung zum Rabbiner bereits in Israel abgeschlossen. Sein zionistisch orientierter Vater hatte die Familie 1935 gerettet, indem er nach den ersten Nazi-Übergriffen die Flucht nach Palästina organisierte. Sein einziger Sohn Benyamin betrat – unter dem hebräischem Namen Barslai – 1961 zum ersten Mal wieder deutschen Boden. Auf der Durchreise eigentlich. Doch dann kehrte er zurück, mit seiner Frau Malka. „Man hatte mich dazu überredet“, sagt Barslai.

Überall in Deutschland suchten die jüdischen Gemeinden damals Nachwuchs für die religiösen Ämter. „Und ich habe mich immer als deutscher Jude gefühlt“, bekennt der Rabbiner. Dass er – nach dem Fall der Mauer und der erleichterten Einwanderung verfolgter Juden aus den GUS-Staaten – seit den 90er Jahren aber so gründliche Aufbauarbeit würde leisten müssen, ahnte er lange nicht. Der Bedarf an religiöser Unterweisung sei bei den neuen Gemeindemitgliedern enorm – bedauert Barslai die Folgen der Unterdrückung jüdischen Lebens in den ehemaligen Sowjetstaaten. Manchmal klingt er da streng, der Rabbi, bis er im nächsten Augenblick sagt: „Ich schaue den Leuten nicht in den Kochtopf. Meine Frau und ich sind die einzigen orthodoxen Juden hier.“ Doch bekümmert den alten Meister, dass er mit manchem Gemeindemitglied nur per Dolmetscher sprechen kann.

Aber die neue Entwicklung bringt auch Schönes. 55 Kinder spielen im jüdischem Kindergarten. „Es gibt eine Seniorengruppe und einen Jugendclub.“ Schon immer hätten jüdische Gemeinden sich an Veränderungen anpassen müssen. „Ich bin eher wie ein Vater.“ Prompt fällt dem Rabbi ein Witz ein: ‚Ein frommer Jude sitzt und weint, weil einer seiner Söhne zum Christentum übergetreten ist. Als Gott das hört, sagt er zu dem Mann: Du hast noch andere Söhne. Bei mir ist der Einzige konvertiert. – Und was hast du gemacht? will tränenüberströmt der fromme Jude wissen. – Ich habe das neue Testament erfunden, sagt Gott.‘

Doch Barslai mit seinen heute 80 Jahren wird eher kürzer treten. Die Judaistik-Seminare an der Universität hat der Professor aus gesundheitlichen Gründen zurückgestellt. Zurzeit sucht er einen Nachfolger im Amt. „Einen klugen Mann, der führen kann“, sagt Barslai. Er hofft auf Bewerbungen aus dem Ausland, vielleicht aus Israel oder den USA. Denn in Deutschland sind Rabbiner rar. Und so wird der Rabbi Barslai heute wieder einen Tag im Dienst der Gemeinde verbringen: Seine Sprechstunde abhalten und ebenso das gewohnte Dienstags-Seminar. Erst am kommenden Montag wird groß gratuliert – in der Schwachhauser Synagoge. „In meinem Kreis“, sagt der Bremer Landesrabbiner. Eva Rhode