Schunkeln wie die Scheiche

Arabische Woche der Wahrheit: Arabien regiert die 56. Internationale Buchmesse

Die Wahl der arabischen Welt als Schwerpunkt der diesjährigen Internationalen Frankfurter Buchmesse war, das zeigt sich schon jetzt, ein voller Riesenerfolg. Gräben wurden eingerissen, Mauern zugeschüttet, Brücken überwunden. Der befürchtete „Konflikt der Kulturen“ blieb aus, stattdessen kam es zu herzlichen Begegnungen zwischen Okzident und Aszendent, zwischen uns und denen da drunten.

Vor allem in den Ausstellungshallen, in die Frauen keinen Zutritt hatten, wurde diskutiert, geschmökert, geraucht, gebetet und geschossen, ja, es ging zu wie auf einem Basar, und etwas Schöneres kann man von einer Messe ja gar nicht sagen. Auf Arabisch heißt Buch „Kitab“, auf deutsch heißt das jedoch Kinder-Tages-Betreuung, man sieht also, so kommen wir nicht weiter.

Viele Muftis, Emire und Scheichs aus allerhand Emiraten und Sultaninen waren angereist, um in Deutschland den Kontakt mit Zahnärzten, Autohändlern und Juwelieren zu suchen – und sich auch über Neuerscheinungen zu informieren, die sie demnächst in ihren Heimatländern verbieten lassen werden. Dennoch standen auch kritische und versaute Bücher im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, wobei vor allem Entflammbarkeit und Brenndauer des jeweiligen Werkes interessierten.

Den Schwerpunkt des arabischsprachigen Buchmarktes bildete daher das gut geschriebene Sachbuch, vor allem reich bebilderte Ratgeber mit wenig Text waren gefragt, wie etwa der Folterratgeber „Salz auf deine Wunde“ und Frank Schirrmachers Erfolgssequel „Das Jerusalem-Komplott“. Syriens Verleger präsentierten zahlreiche neue Wareneingangsbücher zum Thema Teppiche, Wasserpfeife und Gewürze, die Saudis zeigten Fahrtenbücher aller gängigen Luxuskarossen, vom 320 SLK bis hin zum Rolls-Royce, und natürlich die Mutter aller Eheratgeber: „Vier Frauen und kein Halleluja“.

Überhaupt standen die Zeichen auf Versöhnung und fröhlich schunkelndes Miteinander. Das Beitrittsland Türkei verblüffte in Halle 5.0 mit einer imposanten Phalanx von Dönerständen, im „Forum Ehrengast Arabische Welt“ konnten die mundtot gemachten Autoren Matthias Al-Tenburg, Jürgen El Sässer und Hartmut El Kurdi besichtigt werden, und als Zeichen der kulturellen Verbundenheit stiftete der saudische Scheich Saud Nasr al-Saqrat zum Wiederaufbau der abgebrannten Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek 180.000 prächtige, mit Leder und Blattgold verzierte Videokassettenhüllen.

Sogar der beliebte katarische Sender al-Dschasira war vertreten und zeigte ein Video mit einer Grußbotschaft aus Afghanistan, in der ein sympathischer Hassprediger mit Rübenbart und Kopfwindel seinem allmächtigen Allah auf Knien dafür dankte, dass er in den letzten 40 Jahren noch nie ein anderes Buch als den Koran gelesen hat.

So wurde auch von mehreren vermummten Ausstellern ein generell anderes Leseverhalten gefordert. Scheich Hamad ibn Hussn al-Qatiri aus Riad forderte, dass Menschen, die in etwas anderem als dem Koran blätterten, nicht nur mit Stockschlägen, sondern auch mit Daumenschrauben, Steinigungen und temporären Kopfamputationen belohnt werden sollten.

Den Schlusspunkt der Messe soll ein spektakuläres Feuerwerk bilden. Bis jetzt trafen schon über zwanzig Reisebusse mit Palästinensern und Irakern ein, allesamt mit prächtigen Sprengstoffgirlanden behängt, mit denen sie sich dann, wenn viele Unschuldige und Ungläubige in der Nähe sind, gemeinsam in die Luft jagen. Andere wollen lieber wie verrückt mit Maschinengewehren in die Luft ballern – je nachdem, wie sie halt so drauf sind, unsere lieben Ehrengäste aus dem glücklichen Arabien.

OLIVER MARIA SCHMITT