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: Vor 50 Jahren wurde die Ulmer Hochschule für Gestaltung gegründet

Verantwortung für die materielle Kultur

Einiges tönt dekadent, wie die Anekdote, Max Bill habe jedem seiner Atelierschüler einen Hundertmarkschein auf den Tisch gelegt mit dem Spruch „Wenn ihr mir sagt, wofür ihr das Geld ausgebt, gebe ich’s euch“. Anderes wiederum imponiert, wie die Hartnäckigkeit von Inge Scholl, eine Million Mark von amerikanischen Gönnern zu erbitten und eine weitere zu sammeln. Mit diesem Grundkapital der „Geschwister Scholl-Stiftung“ wurde schließlich ermöglicht, als privater Träger der Ulmer Hochschule für Gestaltung (hfg ulm) zu fungieren. Die Gründung der bereits 1968 geschlossenen Lehrstätte jährt sich in diesen Wochen zum 50. Mal.

Einerseits strebte die Schule an, rational denkende Produktgestalter und nicht Künstler auszubilden. Andererseits war sie für so wenige Studenten ausgelegt, dass im Nachhinein von einer „gestalterischen und demokratischen Elite“ die Rede sein kann.

Fest steht, dass Produkte wie das Stapelgeschirr von Hans „Nick“ Roericht (1958), der so genannte Ulmer Hocker von Bill (1954) oder die „Schneewittchensarg“ genannte Phonoanlage, die Hans Gugelot und Dieter Rams für Braun entwarfen (1956), das Erscheinungsbild der jungen Bundesrepublik entscheidend prägten. Dass eine solche Institution, die eine linke Haltung auszeichnete und die ihren jenseits der klassischen Lehre ausgebildeten Designern ein bis dato nicht übliches Selbstbewusstsein mit auf den Weg gab, zum Mythos wurde, liegt auf der Hand.

Nicht nur der Beginn, sondern auch das Ende war spektakulär. Nach der Streichung der Bundeszuschüsse war die hfg ulm allein auf die Mittel des Landes Baden-Württemberg und der Stadt angewiesen. Der jüngst neunzig Jahre alt gewordene damalige Ministerpräsident Hans Filbinger ließ, weil er Großuniversitäten anvisierte, die kleine Schule aushungern, und der in sich nicht homogene Lehrkörper konnte dem nichts entgegensetzen.

Ob die Schule, bei der viele prominente Gestalter – von Walter Gropius über Josef Albers bis hin zu Will McBride – Seminare abhielten, nicht ohnehin an ihrem eigenen hohen Anspruch gescheitert wäre, ist im Nachhinein eine eher müßige Frage. Was mit Sicherheit bleibt, ist der Versuch, namentlich für die materielle Kultur bei der Produktgestaltung gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Ein Ansatz, der auf dem kurzlebigen „Markt“ der Moden und Trends schwer zu vertreten ist, aber durch die fortwährende Wertschätzung der im Ulmer Sinne entstandenen Produkte bestätigt wird. MIKAS

Literatur: Martin Krampen/Günther Hörmann: „Die Hochschule für Gestaltung Ulm – Anfänge eines Projektes der unnachgiebigen Moderne“. Ernst & Sohn Verlag für Architektur und Technische Wissenschaften, Berlin 2003, 69 €