„Verona bietet viel Raum zur Kommunikation“

Der Politologe Udo Bermbach über das Musik-Event in Verona, die Festspiele in Bayreuth und Schröders plötzliche Liebe zur Oper

taz: Herr Bermbach, der Kanzler galt bislang nicht als Freund des Musiktheaters. In dieser Woche geht er gleich zweimal in die Oper. Hat er sich mit „Tannhäuser“ am Montag in Bayreuth und „Carmen“ heute in Verona die richtigen Stücke für den Einstieg ausgesucht?

Udo Bermbach: Beim „Tannhäuser“ bezweifle ich das. Es wäre besser gewesen, er hätte sich die „Ring“-Inszenierung seines Freundes Jürgen Flimm angesehen. Da geht es um Politik und die Karriere des Politikers Wotan.

Gibt es da Parallelen?

Keine direkten. Aber der „Ring“ zeigt, wie der Politiker Wotan sich selbst um die Handlungsfähigkeit bringt. Sehr schnell steht er mit dem Rücken zur Wand, eine Situation, die Schröder ja vertraut ist. Aber im Unterschied zu Schröder gelingt Wotan nicht die Wende zum Überleben. Da hätte sich der Kanzler über den Gott erheben können. Das wäre doch ein gutes Gefühl gewesen.

Was haben Sie gegen „Tannhäuser“?

Ich finde in dieser Inszenierung das Stück nicht wieder. Es werden opulente Bilder gezeigt, aber der Grundkonflikt kommt nicht vor – ein Anarchist, der sich gegen kirchliche und weltliche Institutionen auflehnt.

Richtig inszeniert, wäre die Oper für Politiker geeignet?

Nicht, wenn sie ohne Vorkenntnisse hingehen. Der „Tannhäuser“ ist voll komplexer Ideen, die sich nicht leicht erschließen. Der „Ring“ dagegen zeigt Höhen und Tiefen der Politik, am Ende ihren Absturz. Das versteht auch ein Politiker, der sich damit noch nicht beschäftigt hat.

Heute schaut sich der Kanzler „Carmen“ an. Wird ihm diese Oper besser gefallen?

Ich denke schon. Die Story erschließt sich leichter, die Musik ist eingängig, man kann sich berauschen lassen.

Schlimm, wenn sich ein Politiker nicht für Oper interessiert, die immerhin Teil unseres Bildungskanons ist?

Interesse wäre schon wünschenswert. Aber man kann nicht erwarten, dass sich ein Politiker für alles gleichermaßen interessiert. Oper, Schauspiel, Tanz, Jazz, Pop, Rap, Film – das alles ist schließlich Teil unserer Kultur.

Dass sich Schröder stärker für Fußball begeistert und am Samstag gleich wieder nach Köln fliegt, ist also …

… völlig in Ordnung. Ich finde es sogar anerkennenswert, dass er sich da nicht verbiegt. Flimm hätte ihn vor drei Jahren gerne zur „Ring“-Premiere in Bayreuth gehabt. Schröder hat das abgelehnt. Er meinte, man nehme ihm sein plötzliches Interesse für Wagner nicht wirklich ab. Ich fand das ehrlich und sehr respektabel.

Auch diesmal geht es Schröder nicht um Oper. Die Bühne ist nur Staffage für politische Anlässe. Sehen Sie da eine unrühmliche Tradition?

Nein. Dass Hitler die Bayreuther Festspiele zu eigenen Zwecken genutzt hat, wissen wir. Aber heute liegt der Fall völlig anders. Der japanische Ministerpräsident ist – wie erstaunlich viele Japaner – offenbar ein Wagner-Liebhaber. Und Schröder begleitete ihn aus Höflichkeit.

Und warum setzt sich Schröder in Verona der Hochkultur aus?

Vielleicht macht es ihm Spaß. Verona ist ja nicht nur Oper. Es ist Event, mit Essen und Trinken, mit viel Raum zur Kommunikation. Ob das Hochkultur ist?

Von Schröders Besuch wird erwartet, dass er sich mit Berlusconi versöhnt. Gibt es eine Oper, die sich dafür besser eignet als „Carmen“?

Auf keinen Fall Verdi, den die Italiener so lieben. Da werden die Protagonisten meist ermordet, vergiftet, erwürgt, eingemauert. Kaum einer stirbt friedlich im Bett. Besser wäre wohl „Titus“ von Mozart. Da vergibt der Herrscher am Ende allen, die ihm Böses angetan haben. INTERVIEW: RALPH BOLLMANN