Manöver gegen Männerbünde

Militarismus und Patriarchalismus hängen eng zusammen, und zu ihnen gesellt sich meistens nationaler Chauvinismus – oft mit verheerenden Folgen

„Jungs sind Jungs. Sie sollten besser aufpassen auf Ihre Töchter“

aus Zürich UTE SCHEUB

Am Anfang war die Wut. Die Wut darüber, dass nach dem 11. September 2001 Männer erneut Krieg als Lösung aller Probleme propagierten. In allen TV-Talkshows traten nur noch männliche „Sicherheits“-Experten auf. Diese „Zensur“ empörte die Feministinnen des Christlichen Friedensdienstes (cfd) in Zürich derart, dass sie beschlossen, eine internationale Frauenfriedenskonferenz zu organisieren.

Am vergangenen Wochenende hat sie stattgefunden. Die Rote Fabrik in Zürich erlebte drei Tage intensiver Diskussion von rund 300 Frauen und einigen wenigen Männern. Die Referentinnen kamen aus Westeuropa, Exjugoslawien, den USA, dem Nahen Osten und Angola. Ihrem vielschichtigen Titel machte die Veranstaltung alle Ehre: „womanoeuvres“ beinhaltet viele Worte zugleich: man-oeuvres, Manöver, Taten der Männer, Werke der Frauen.

Wie kann man Patriarchalismus, Nationalismus und Militarismus ohne den Einsatz von Bomben zum Einsturz bringen und dann den Frieden durch Gerechtigkeit nachhaltig machen? Das war ein wiederkehrendes Thema der auf hohem Niveau geführten Debatte. Uta Klein, Professorin in Kiel, zeigte in ihrem Einführungsreferat die Beziehung zwischen Männlichkeit und Militär auf. In den europäischen Nationalstaaten erhielt nur derjenige volles Bürgerrecht, der Waffen trug und sein Leben für die Verteidigung der Nation aufs Spiel setzte. Auch wenn heutzutage manche Armeen auch Soldatinnen beschäftigten, so zeige deren Stellung deutlich, dass das Militär nach wie vor als Männerbund fungiere. In bewaffneten Konflikten versuchten Kämpfer, gegenseitig ihre Potenz zu vernichten. Al-Qaida habe den westlichen Einfluss auf die Golfstaaten als deren „Entmännlichung“ denunziert, in den USA seien die Angriffe auf die Zwillingstürme als „Angriffe auf die Männlichkeit der Nation“ verstanden worden.

Militarismus und Patriarchalismus hängen also eng zusammen, und zu ihnen gesellt sich meistens noch nationaler Chauvinismus. Cynthia Cockburn, Antikriegstheoretikerin und Aktivistin der Londoner Women in Black, befand es für „fruchtbar“, jede Art von Nationalismus dem Verdacht des Rassismus auszusetzen. Für die Frauen aus Palästina oder Nordirland, die mit nationalen Befreiungsbewegungen in Verbindung stehen, war das schon fast eine Provokation. Umso interessanter ihre Antworten. Bernadette Devlin-McAliskey, prominente Exparlamentarierin, die 1981 nur knapp einen Anschlag protestantischer Paramilitärs überlebte, bestätigte, dass „Feminismus und Nationalismus inkompatibel“ seien. Sie wies jedoch darauf hin, dass „nicht ich mich selbst als Nationalistin definiert habe“ – der britische Imperialismus habe sie dazu gemacht. Jetzt aber, wo es um die Definition einer irischen Nation gehe, werde es kritisch: „Nationalismus definiert sich immer durch rassistische Kategorien.“ Ihr wäre es lieber, an das Ideal einer global citizenship glauben zu können.

Maha Abu-Shayyeh Damas, palästinensische Juristin und Menschenrechtsaktivistin, befand ebenfalls, dass die Gründung eines ethnisch reinen palästinensischen Staates nur eine kurzfristige pragmatische Perspektive sei. „Im Prozess der Separierung gibt es immer Diskriminierung.“ Aber, so fragte sie, „wie können wir thematisieren, dass Nationalismus und Zionismus Rassismus ist, ohne dass uns sogar linke Juden und Jüdinnen kritisieren? Wir meiden das Thema, um die Fortsetzung des Dialogs nicht zu gefährden.“

Die US-amerikanische Jüdin Judith Merkinson von den Women in Black in San Francisco provozierte ihre Zuhörerschaft mit der Bemerkung, die USA seien unter der Regierung Bush zu einer „präfaschistischen Gesellschaft“ geworden, es entwickle sich dort kein deutscher oder italienischer, sondern einer US-spezifischer „demokratischer Faschismus“. Dieser sei dabei, in Palästina, Afghanistan und Irak die ältesten Kulturen der Welt zu zerstören; damit gehe ein langer Zyklus des Patriarchats zu Ende. Frauen würden zunehmend zum Verkaufsprodukt und Exportartikel: „Jetzt sollen 100.000 Filipinas als ‚Gesundheitsarbeiterinnen‘ und ‚Haushälterinnen‘ zum ‚Wiederaufbau‘ in den Irak geschickt werden“: zum Wiederaufbau der soldatischen Erektion?

Die bisher nur in Frauenkreisen berühmt gewordene Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats vom 31. Oktober 2000 besagt, dass die gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen auf allen Ebenen von Friedensprozessen ein völkerrechtliches Muss ist. Offenbar glaubt die Regierung Bush, ihr mit der Beschäftigung eines Heeres von Sexarbeiterinnen Genüge zu tun. Die Intention dieser historischen Resolution war eine andere: Sie zielte, u. a., auf die Einsetzung von Ministerinnen in Übergangsregierungen wie in Afghanistan und Irak ab. In Afghanistan wurde schon deutlich, wie wenig ernst der Sicherheitsrat seine eigenen Resolutionen nimmt, in Irak wird sich das Schauspiel wiederholen.

Dass auch in anderen Ländern der Verstoß gegen die Resolution 1325 ein beliebtes Spiel ist, zeigten die Erfahrungsberichte von Frauen aus Angola, Bosnien und dem Kosovo. „Hübsche Resolution“, befand Engracia Domingos Francisco, die im kriegszerstörten Angola Gemeinden zivile Konfliktbearbeitung beizubringen versucht. Aber die UN-Friedenstruppen hätten dort komplett versagt, die Zivilgesellschaft habe „keinerlei Macht“. Wer also sollte auf die Verwirklichung drängen? Patricia Barandun, Gender-Expertin in Bosnien, berichtete Ähnliches: „Ich habe die Resolution zugemailt bekommen, aber niemand in Bosnien hat darüber diskutiert.“

Die Albanierin Igballe Rogova vom Kosova Women’s Network formulierte es noch schärfer: „Die UNO hat uns das Patriarchat gebracht.“ Kosovarische Frauen hätten unter Berufung auf die Resolution unzählige Briefe geschrieben, doch die UNO habe die Versöhnungsarbeit der Frauen, ihr Wissen und ihre Kenntnisse systematisch ignoriert. Rogova nannte viel Beispiele. Eine Delegation des Sicherheitsrats habe mit den Frauenorganisationen nicht reden wollen. Ein Unmik-Offizier habe sie nach einem zweistündigen Gespräch über die Gefahren des „Trafficking“ durch Unmik-Soldaten mit den Worten abgespeist: „Jungs sind Jungs. Sie sollten besser aufpassen auf Ihre Töchter.“

www.cfd-ch.org