15 Tote, eine Verurteilung

Als die Eishalle im bayerischen Bad Reichenhall einstürzte, starben drei Mütter und zwölf Kinder. Nun erhielt ein Statiker eine Bewährungsstrafe. Der Architekt und ein Gutachter wurden freigesprochen

VON BERNHARD HÜBNER

Das Urteil sollte ein Schlussstrich werden, ein Stück Gerechtigkeit für die Hinterbliebenen der 15 Kinder und Frauen, die starben, als am 2. Januar 2006 das Dach der Eissporthalle von Bad Reichenhall einstürzte. Aber als der Vorsitzende Richter am Dienstag in Traunstein seine Entscheidung bekannt gibt, will sich kaum jemand im Saal freuen.

„Das ist bitter“, sagt eine Nebenklägerin, die zwei Töchter in der Eishalle verloren hat. „Das ist ein Schlag ins Gesicht“, meint ihr Mann. Er habe Angst davor, nach Hause zu gehen und das Urteil seinem Sohn zu erklären, sagt ein Nebenkläger, dessen Frau starb. Die Freisprüche seien für ihn negativ, sagt Staatsanwalt Günther Hammerdinger. Und ein Verteidiger kündigt an, er wolle beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe in Revision gehen.

Angeklagt waren der Architekt und der Statiker, die den Bau der Eishalle Anfang der Siebzigerjahre geplant hatten, und ein Gutachter, der die Konstruktion 2003 für sicher befunden hatte. Das Gericht sprach den Gutachter und den Architekten frei. Der fürs Dach verantwortliche Statiker wurde wegen fahrlässiger Tötung zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt.

Der Richter warf ihm grobe Fehler bei der Planung des Hallendachs vor. Der Ingenieur habe die Statik der Konstruktion falsch berechnet, er habe zu dicke und schwere Holzträger eingebaut und er hätte die am Bau beteiligten Subunternehmer besser überwachen müssen. Die verwendeten einen ungeeigneten wasserlöslichen Leim.

Der von der Stadt 2003 bestellte Gutachter hat die Halle „nicht ausreichend geprüft“, sagte der Richter. Aber die Stadt habe bei ihm nur eine Kostenschätzung für eine Sanierung der alten Eishalle bestellt. Trotz mehrerer Wassereinbrüche habe die Verwaltung die Halle nur unzureichend kontrolliert und auf Warnungen von Experten nicht reagiert. „Es ist nicht sicher, dass die Stadt bei einem Hinweis des Angeklagten das Notwendige veranlasst hätte und der Einsturz vermieden worden wäre.“ Mitarbeiter der Stadt Bad Reichenhall waren nicht angeklagt.

Dabei gab es nach dem Einsturz vor allem an die Stadt, die für den Betrieb der Eissporthalle zuständig war, schwere Vorwürfe. Vor dem Unglück hatte es tagelang geschneit. Am 2. Januar 2006 lag eine meterdicke Schicht aus schwerem, nassem Schnee auf dem Dach. Der örtliche Eishockeyverein entschloss sich am Mittag, das für den Abend geplante Mannschaftstraining aus Sicherheitsgründen abzusagen. Dennoch blieb die Halle bis in den Nachmittag fürs Publikum geöffnet. Als das Dach einknickte, starben zwölf Kinder und drei Mütter. 34 Menschen wurden verletzt.

Mitarbeiter der Stadt hätten auf die Anklagebank gehört, sagte einer der Nebenkläger. Ursprünglich sollte auch der ehemalige Leiter des städtischen Hochbauamts dort sitzen. Aus gesundheitlichen Gründen wurde das Verfahren gegen den 72-Jährigen vom Prozess abgetrennt. Ob es je zur Verhandlung kommen wird, ist fraglich. Neue Anklagen gegen Mitarbeiter der Stadt werde es nicht geben, sagte der Staatsanwalt nach der Verhandlung. Allerdings prüfe er, ob er das Urteil anfechten werde.