Fluglinien reagieren auf Erpressung

Lufthansa, Air France, British Airways und Iberia geben Daten ihrer Passagiere mit Ziel USA für die dortigen Zollbehörden frei. EU-Kommission beugt sich Ultimatum. Umfang der übermittelten Informationen unklar. Verkehrsministerium: nur zeitweise

von ANETT KELLER

Europäische Fluggäste konnten bisweilen schon in den vergangenen Monaten bei der Ankunft in den USA erleben, was Antiterrorkampf heißen kann: Sie wurden an US-Flughäfen so lange gefilzt, dass so mancher seinen Anschlussflug verpasste. Seit dem 5. März kommt hinzu, dass die europäischen Fluglinien den US-Zollbehörden online Zugang zu ihren Passagierdaten gewähren.

Wie jetzt bekannt wurde, reagierten die Fluglinien damit nicht auf eine Anfrage aus den Vereinigten Staaten, sondern in Abstimmung mit staatlichen Stellen auf ein Ultimatum der US-Behörden: Sei das Überspielen der Passagierdaten schon bei der Buchung nicht ab dem 5. März gesichert, so die Drohung, könnten die EU-Passagiere direkt wieder umkehren. Diese Vorgabe bestätigte jetzt das Bundesverkehrsministerium.

Das Nachgeben der Airlines bedeutet zwar einen Bruch der EU-Datenschutzlinie. Die EU-Kommission half den Fluggesellschaften vor zwei Wochen aber aus dem Dilemma: Sie gab dem Druck der Firmen nach und beschloss eine Ausnahme. Seit dem 5. März also hat die US-Zollbehörde das Recht, schon bei der Buchung eines Fluges aus Europa die als so genannter PNR (Passenger Name Record) gespeicherten Daten im Reservierungssystem einzusehen. Der Forderung der US-Zollbehörde nach Datentransfer sind bislang Lufthansa, British Airways, Air France und Iberia nachgekommen.

Dass der amerikanische Zoll offenbar nur große Fluglinien „anzapft“, findet Martin Gaebges mehr als „zweifelhaft“. Der Generalsekretär der Vereinigung der ausländischen Fluglinien in Deutschland fragt sich, warum eine veränderte Rechtslage nicht für alle gilt. „Was die US-Behörden hier betreiben, ist eine Art Rasterfahndung“, sagt Gaebges.

Der Deutsche Reisebüro- und Reiseveranstalterverband (DRV) ist von der Neuerung „völlig überrascht worden“, so DRV-Hauptgeschäftsführer Jochen Martin. Erst einen Tag vor der Änderung hätten die Fluglinien in Mailingaktionen die Reisebüros informiert.

Auch bei Deutschlands größtem Ticketgroßhändler AER wundert man sich über den schleppenden Info-Fluss. „Ein so wichtiges Thema sollte im Vorfeld von den Verbänden kommentiert werden“, findet AER-Sprecher Michael Schwarz. In den Fachblättern der Branche habe es jedoch überhaupt keine Rolle gespielt. „Das Ganze hat sich auch noch nicht so richtig herumgesprochen.“

Ein hohes juristisches Risiko für die Reisebüros: Bei Aufnahme der Buchung müssen sie schließlich die Kunden darüber informieren, dass Daten an den US-Zoll weitergegeben werden. Je nachdem, was der Kunde alles angibt, können das Informationen zur Zahlungsweise bis hin zur Bestellung eines koscheren Essens im Flugzeug sein. Darüber, wie die erfolgte Beratung nachgewiesen werden kann, herrscht noch Unklarheit.

Verwirrung existiert auch darüber, welche Informationen weitergegeben werden dürfen. Während es bei Lufthansa heißt, alle bei der Buchung eingebenen Daten seien einsehbar, ist man sich bei Air France sicher, dass sensible Daten nicht weitergegeben würden. Wie das technisch getrennt wird, darüber gibt es keine Auskünfte. Bei British Airways können laut einer Sprecherin nicht nur der US-Zoll, sondern auch die australischen, kanadischen und britischen Behörden „alle vorhandenen Passagier- und Reisedaten“ einsehen.

Nach Rechtsgrundlagen und technischer Praxis befragt, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium, das werde „Thema von Gesprächen“ sein. Schließlich sei das Ganze eine vorläufige Regelung, mit der man auf die dringliche Situation reagiert habe. Ministeriumssprecher Felix Stenschke: „Wir haben doch alle ein Interesse, dass weitergeflogen werden kann.“