Mit einer Handsalbung zur Energie-Fusion

E.ON versucht, Prozessgegner mit gewissen Summen zu überzeugen. Gerichtsverhandlung begonnen

BERLIN taz ■ Gestern begann das Finale. In der blauen Ecke: Die Konzerne E.ON und Ruhrgas. In der roten: Der Rest der Welt. Es geht um zehn Milliarden Euro. Und um die Frage: Wer wird Weltmeister? Den Gong zur ersten Finalrunde läutete gestern das Oberlandesgericht Düsseldorf. Gekämpft wird bis morgen. Danach steht fest, ob E.ON der Welt größter Energiekonzern ist. Oder eben nur Nummer zwei bleibt – hinter den Atomstromern von Frankreichs Staatskonzern EdF.

Um in dieses Finale zu gelangen, hatten die Gegner viele Vorkämpfe absolviert. Mitte des Jahres 2001 begann der Fight mit einem Tausch: Für ihre Aral-Tankstellen bekamen die Düsseldorfer vom britischen Mineralölkonzern BP dessen Anteile an der Ruhrgas AG. Von Vodafone und Thyssen-Krupp wurden weitere Anteile gekauft, beim Bundeskartellamt die Übernahme von insgesamt 60,3 Ruhrgas-Prozenten angemeldet.

Als alles aussah, als wäre E.ON schon der sichere Sieger, glich das Bundeskartellamt aus. Weil die Fusion zu einer marktbeherrschenden Stellung sowohl beim Absatz von Gas als auch beim Strom führt, untersagten die Wettbewerbsrechtler den Deal. Daraufhin beantragte E.ON im Febuar letzten Jahres eine Ministererlaubnis, die am 5. Juli unter Auflagen erteilt wurde.

Sechs Tage später aber stoppte das Oberlandesgericht Düsseldorf durch ein Eilverfahren die Übernahme. Begründung: Die Ministererlaubnis sei verfahrensfehlerbehaftet. Zwar beeilte sich das Bundeswirtschaftsministerium, im September die Fehler zu beseitigen – und erteilte eine zweite Ministererlaubnis. Das Oberlandesgericht hält aber trotzdem seine einstweilige Anordnung aufrecht.

Nun also das Finale. EnBW, verschiedene Stadtwerke und Stromhändler – die Kläger des gestern eröffneten Hauptsacheverfahrens wollen klären lassen, ob tatsächlich das Bundeswirtschaftsministerium zuständig ist – oder nicht doch die EU. Nach EU-Recht nämlich muss ein Übernahmebegehren dann von Brüssel geprüft werden, wenn ein Unternehmen weniger als zwei Drittel seines Umsatzes im Inland erzielt. Was bei E.ON der Fall ist. Beobachter gehen deshalb davon aus, dass E.ON nur siegen kann, wenn das Gericht nicht entscheidet – zu klar lägen die Fakten, die für eine Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung sprechen.

E.ON hat deshalb in den letzten Tagen seine Strategie geändert und rege verhandelt. Sollten nämlich die Kläger ihre Klage zurückziehen, stünde dem Vollzug der Ministererlaubnis nichts mehr im Weg. Natürlich würde man sich einen solchen Verzicht auch was kosten lassen: Die Financial Times Deutschland bezifferte das Entschädigungspaket an die neun Beschwerdeführer auf 300 Millionen Euro. Dem Vernehmen nach soll gestern nur noch ein Klageführer mit der Summe der Handsalbung noch nicht ganz einverstanden gewesen sein. Bestätigen wollte das natürlich keine der am Fight beteiligten Seiten.

Die Dramatik des Finales wird durch den Faktor Zeit diktiert: Zentraler Bestandteil der Ruhrgas-Übernahme ist nämlich ein Aktientausch mit dem Essener RAG-Konzern. Der will von E.ON den Chemiekonzern Degussa übernehmen – und gibt dafür seine Ruhrgas-Anteile. Das Problem: Die vereinbarte Tauschoption läuft am 31. Januar aus.

Eine Gerichtssprecherin erklärte gestern, es sei völlig unklar, wann das Urteil gesprochen wird. Doch selbst wenn der vorsitzende Richter Wolfgang Jaeger sich gegen die Fusion entscheiden sollte, muss das noch nicht das Ende sein. Parallel verhandelte E.ON gestern nämlich weiter über eine außergerichtliche Einigung. Die Gerichtssprecherin: „Wegen Besonderheiten des Kartellrechts ist das möglich“.

NICK REIMER