Täglich Schrottschiffe

Greenpeace überwacht Schiffsverkehr in der Ostsee: schwimmende Zeitbomben und Geisterfahrer

HAMBURG taz ■ Mit einer Ölkatastrophe wie vor der spanischen Küste muss in der Kadet-Schifffahrtsrinne zwischen Deutschland und Dänemark ständig gerechnet werden. „Jeden Tag fährt mindestens eine schwimmende Zeitbombe in der Rinne“, sagte gestern Christian Bussau. Er hat den stark befahrenen Seeweg mit einem Greenpeace-Team vier Wochen lang überwacht und dabei nicht nur altersschwache Öl- und Chemikalientanker beobachtet, sondern auch eine Reihe von gefährlichen Verkehrssituationen. Die Umweltorganisation verlangt, dass Tanker, die mehr als 20 Jahre alt sind und keine Doppelhülle besitzen, aus dem Verkehr gezogen werden.

Täglich 100 bis 150 Schiffsbewegungen verfolgte Greenpeace per Radar. Zu mutmaßlichen Tankern fuhren Teams in Schlauchbooten hinaus, um ihre Namen zu lesen. Ein Abgleich mit der internationalen Schiffsliste im Internet gab Auskunft über Alter und Qualität des Schiffes. 112 Tanker identifizierten die Umweltschützer auf diese Weise. 24 davon waren von der gemeingefährlichen Qualität der „Prestige“, die die Ölkatastrophe an Galiciens Küste auslöste.

Besonders gefährlich ist der Verkehr mit diesen Schiffen deshalb, weil sich jährlich 62.000 Schiffe durch die rund 1,7 Kilometer breite Kadet-Rinne quetschen. Einige dieser oft an die 250 Meter langen Schiffe müssen aufgrund ihres Tiefgangs ein schmales Segment innerhalb der Wasserstraße benutzen, das an seiner engsten Stelle nur 350 bis 400 Meter breit ist.

Was er dabei beobachtete, trieb dem Überseelotsen bisweilen Schweißperlen auf die Stirn: Schiffe wechselten bei Überholmanövern verbotenerweise auf die Gegenspur. Eines preschte unter Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln quer über die Schifffahrtsstraße – besonders gefährlich, weil Schiffe einen sehr langen Bremsweg haben und daher aufs Ausweichen angewiesen sind. 22 Unfälle hat es Greenpeace zufolge in den vergangenen 20 Jahren in der Rinne gegeben, 12 Schiffe liefen nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums auf Grund.

Wie die Bundesregierung fordert Greenpeace daher eine Lotsenpflicht, eine Meldepflicht und Notliegeplätze für alle Schiffe, die die Rinne passieren. Außerdem müsse mehr Geld in die Radarüberwachung investiert und eine gemeinsame Küstenwache der EU-Länder geschaffen werden. GERNOT KNÖDLER