dokumentation
: Auszug aus dem Urteil des Landgerichts Berlin zum Penis-Prozess

Kai Diekmann – „Initiator der Rechtsverletzungen“

„(…) Vor allem aber spricht gegen das Bedürfnis für eine Geldentschädigung, dass der Kläger Chefredakteur der Bild-Zeitung ist.

In der Bild-Zeitung werden – wie der Kammer aus ihrer täglichen Arbeit bekannt ist – häufig persönlichkeitsrechtsverletzende Beiträge veröffentlicht. Oftmals verletzen die Beiträge sogar die Intimsphäre der Betroffenen. Der Kläger ist hierfür in äußerungsrechtlicher Hinsicht verantwortlich. Als Chefredakteur hätte er ohne weiteres die Möglichkeit, diese Rechtsverletzungen zu unterbinden; eine Rechtsabteilung sowie äußerungsrechtlich versierte Rechtsanwälte stehen ihm – was der Kammer aus ihrer täglichen Arbeit ebenfalls bekannt ist – laufend beratend zur Verfügung.

In manchen Fällen wird der Kläger sogar Initiator der Rechtsverletzungen sein. Durch sein Unterlassen bzw. sein aktives Tun befördert er so nicht nur den Umsatz und die Einnahmen des Verlages der Bild-Zeitung, sondern auch seine persönlichen Einkünfte. Denn diese werden – zumindest auf mittlere Sicht – davon abhängig sein, welche Einnahmen der von ihm geführte Verlag erzielt. Es kann im Übrigen auch kein Zweifel daran bestehen, dass dem Kläger diese Zusammenhänge bewusst sind.

Die Kammer hält dafür, dass derjenige, der – wie der Kläger – bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung anderer sucht, weniger schwer durch die Verletzung seines eigenen Persönlichkeitsrechtes belastet wird. Denn er hat sich mit Wissen und Wollen in das Geschäft der Persönlichkeitsrechtsverletzungen begeben und wird daher – nach allgemeinen Regeln menschlichen Zusammenlebens – davon ausgehen, dass diejenigen Maßstäbe, die er anderen gegenüber anlegt, auch für ihn selbst von Belang sind. Dies gilt vor allem dann, wenn wie vorliegend, der Angriff auf ihn durch die eigene Rechtsverletzung motiviert ist.

So knüpft der angegriffene Artikel an den persönlichkeitsrechtsverletzenden Journalismus des Klägers an (erster und vorletzter Absatz des Artikels) und nimmt genau diesen Journalismus kritisch aufs Korn. Zum Teil zitiert der Artikel sogar Formulierungen aus Beiträgen in der Bild-Zeitung und wendet genau diese gegen den Kläger. Dass der Artikel darüber hinaus oder sogar in erster Linie der Unterhaltung der Leserschaft der taz dient, ändert hieran nichts.“