Null aus neunundvierzig

Vor 50 Jahren rollten in Berlin die ersten Lottokugeln. Eine Erfolgsstory vor allem für den Fiskus.Die Masse der Tipper verliert, nur ein paar Großgewinner überlisten die Wahrscheinlichkeit

von WALTRAUD SCHWAB

Über 150 Lottomillionärinnen und -millionäre habe die Deutsche Klassenlotterie Berlin gekürt. So verkündet es die Anstalt öffentlichen Rechts, die in der Hauptstadt fürs Glück zuständig ist, anlässlich ihres heutigen Geburtstages, der unter dem wenig bescheidenen Motto steht: „Der 11. Januar 2003 – ein historisches Datum für Berlin“.

Vor 50 Jahren rollten in der Stadt die ersten Lottokugeln. Damals noch „5 aus 90“. Die Wahrscheinlichkeit, dabei zu gewinnen, lag bei 1 zu 44 Millionen. Trotzdem wurden auf Anhieb 300.000 Tipps abgegeben. Viermal kamen damals vier Richtige raus. „5 aus 90“ gilt auch als „Genuesisches Lotto“. 1735 wurde es in der Hafenstadt zum ersten Mal gespielt. Der Überlieferung zufolge wurden die Namen von 90 Mädchen im heiratsfähigen Alter in einen Lostopf geworfen. Fünf von ihnen konnten eine Aussteuer gewinnen. Gewinnchance demnach: 1 zu 18. Davon war die Berliner Variante weit entfernt. Erfolgsgeschichte hat sie trotzdem geschrieben.

Weil zu viele Westdeutsche sich am Berliner Zahlenlotto beteiligten, forderte die Konferenz der Ministerpräsidenten bereits 1954, dass Berlin das Glücksspiel einstellen möge. Die Bundesländer hätten das Geld ihrer Bürger gerne selbst eingestrichen. Erst als 1955 der Deutsche Lottoblock gegründet wurde, der übrigens „6 aus 49“ spielte, beruhigten sich die Gemüter. 1959 trat Berlin dem Lottoblock bei. Seither wird auch hier die Hoffnung auf „6 Richtige“ gesetzt. Bei 1 zu 14 Millionen liegt die Chance, sie zu treffen. Positiv vermerkt: Sie ist um 200 Prozent gegenüber der genuesischen Variante gestiegen. Auf ein verständliches Maß zurechtgerückt: Die Wahrscheinlichkeit, alle richtigen Zahlen zu treffen, entspricht der eines Menschen mittleren Alters, in den nächsten zwanzig Minuten zu sterben. Das hat der britische Mathematikprofessor John Haigh ausgerechnet. Unbeachtet blieb dabei die Tatsache, dass die Weltlage sich derzeit eher dahingehend entwickelt, dass der Faktor „tot umfallen“ größer wird, jener „reich zu werden“ aber kleiner.

Dennoch: Denjenigen, die es nicht lassen können, sei gesagt: Ob man richtig tippt, lässt sich nicht beeinflussen, wohl aber, ob der Gewinn mit vielen geteilt werden muss. Sehr beliebt sind Geburtstage, Muster und Ziffern in der Mitte der Zahlenfelder. Hier Unbeliebtes zu tun, ist demnach ein Trumpf. Es müssen ja nicht 12.085.335,80 Mark heraus kommen. Das war der höchste Gewinn, der in Berlin je ausgezahlt wurde. Und zwar 1997.

Längst gab es da die „Superzahl“. Hinter diesem Wort versteckt sich ein böser Trick in nobler Verpackung: Durch ihre Einführung 1991 wurde die Chance, den Hauptgewinn zu ergattern, um den Faktor 10 erschwert. Nunmehr also: 1 zu 140 Millionen. Alles nicht so wild, meint der Pressesprecher der Berliner Klassenlotterie, „auch die Gewinnklasse darunter macht noch Millionäre.“

50 Prozent der Spielsumme gehen als Gewinn zurück an die Spielergemeinde. 20 Prozent fließen in die Lottostiftung und kommen der kulturellen und sozialen Infrastruktur Berlins zugute. Insgesamt waren das zwei Milliarden Euro in den letzten fünfzig Jahren. Zoo, Museen, Wohlfahrtsverbände und der Sport können ohne dieses Geld kaum mehr bestehen. Seit jedoch der Etat Berlins so marode ist, wird immer wieder gefordert, dass die Lottogelder genutzt werden sollten, um dessen Löcher zu stopfen. Dabei gehen bereits fast 17 Prozent der Spielsumme ans Finanzamt. Vorbilder sind da: Schon Friedrich der Große sanierte mit Lotto die Staatsfinanzen, als er 1763 in Preußen das Gewinnspiel einführte.

Lotterien sind eine Umverteilung in großem Stil. Immerhin werden wöchentlich allein in Berlin etwa drei Millionen Euro bei „6 aus 49“ eingesetzt. Das Meiste kommt aus den ärmsten Bezirken: Kreuzberg, Neukölln und Wedding. „Die Leute spielen eben gern“. meint der Pressesprecher der DKLB. „Bevor das Geld in Zockerbuden versandet, ist es besser, es staatlich zu kontrollieren.“

Lotto hat viele Gewinner. Einer aber hat das allergrößte Los gezogen: Falko von Falkenhayn, Vorstand der Berliner Klassenlotterie. Er überreicht den Glücklichen den Scheck. „Wo sonst gibt es die Gelegenheit, so oft Menschen zu erleben, die einen anstrahlen, die Hoffnung verbreiten, Zuversicht. Menschen im Glück?“ Es beflügelt ihn selbst. Oft komme er beschwingt zur Arbeit und gehe auch beschwingt wieder zurück, erzählt er.