die taz vor 11 jahren über den fall monika weimar und die siege der frauenbewegung
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Die Frauenbewegung ist am Grund der Gesellschaft angekommen. Zwei Tagesereignisse sind das Indiz: Monika Böttcher, geschiedene Weimar, wird mangels Beweisen von der Anklage des Kindesmordes freigesprochen. Und: Frauen aller Bundestagsparteien fordern, die Vergewaltigung in der Ehe ohne Widerspruchsklausel zu bestrafen.

Als das Fuldaer Landgericht Monika Böttcher 1988 zu lebenslanger Haft verurteilte, skandierte die Menge vor dem Gebäude: „Hexe! Hexe!“ Für sie stand fest: „Die Amihure war es.“ Monatelang war Monika Böttcher als mordende „Mutter Weimar“ von der Regenbogenpresse vorverurteilt worden. Sie entsprach nicht dem gängigen Bild der Ehefrau in einem hessischen Dorf. Sie ging als Nachtschwester arbeiten, ging in Diskotheken, suchte sich einen Liebhaber. Die Anklage warf ihr eine „ehebrecherische Beziehung“ vor. Das alles spielte bei der Wiederaufnahme des Prozesses kaum eine Rolle mehr. Das gesellschaftliche Klima hatte sich geändert: Mütter, die tagsüber arbeiten und abends tanzen, werden nicht mehr aus der Dorfgemeinschaft ausgestoßen. 1997 erlebte die Angeklagte keinen Hexenprozeß mehr, sondern einen sachlichen Indizienprozeß. Auch die Sensibilität gegenüber männlicher „Privat“-Gewalt ist in dieser Zeit gewachsen. Für Männer wie Reinhard Weimar, der seine Frau Monika jahrelang schwer mißhandelt hatte, gibt es inzwischen Sonderdezernate bei Staatsanwaltschaften. Nun will eine überparteiliche Frauenkoalition von CSU bis PDS die Vergewaltigung im Ehebett ohne Wenn und Aber bestraft sehen: eine politische Konstellation mit Seltenheitswert. Befördert wurde sie durch die kluge innerparlamentarische Taktik der Initiatorinnen und durch außerparlamentarische Empörung. Körbeweise erhielt vor allem die Unionsspitze Protestbriefe. Die Frauenbewegung bringt längst nicht mehr die Massen auf die Straße. Dafür bewegt sie das gesellschaftliche Rechtsempfinden. Ute Scheub Barbara Debus, taz 25. 4. 1997