Auf der Jagd nach Stromfressern

GELD Die Strom- und Heizkosten pro Berliner Haushalt steigen. Viele Mieter könnten ihre Kosten senken. So prüft die Verbraucherzentrale Wohnungen und Häuser auf versteckte Energieschlucker. Doch die Nachfrage nach Beratungen ist derzeit gering

■ Basis-Check für Mieter und Vermieter von bis zu sechs Wohneinheiten: Bestandsaufnahme aller elektrischen Geräte und des möglichen Einsparpotenzials. Beurteilung des Strom- und Heizenergieverbrauchs anhand von Messungen und der Strom- und Heizkostenabrechnung. Kosten: 10 Euro.

■ Gebäude-Check für Hausbesitzer oder Mieter, die Einfluss auf Sanierungsmaßnahmen nehmen können: Der Basis-Check wird so erweitert, dass auch die Gebäudehülle und die Heizungsanlage überprüft werden. Nötige Sanierungen werden besprochen – im Fokus: der Einsatz von erneuerbaren Energien. Kosten: 20 Euro.

■ Brennwert-Check für Hausbesitzer oder Mieter, die Einfluss auf Sanierungsmaßnahmen nehmen können: Überprüfung der Gas- und Heizöl-Brennwertgeräte auf Effizienz und die optimale Einstellung. Kosten: 30 Euro.

■ Für einkommensschwache Haushalte mit entsprechendem Nachweis sind die Beratungsangebote kostenfrei. Weitere Informationen unter www.verbraucherzentrale-energieberatung.de. (wörl)

VON JANA TASHINA WÖRRLE

Nino Mezari sitzt am Wohnzimmertisch von Maja Brott und sieht sich ihre Stromrechnung und die letzte Betriebskostenabrechnung an. Er zieht einige Unterlagen aus der Tasche, Tabellen in bunten Broschüren, und vergleicht ihren Verbrauch mit dem von deutschen Durchschnittshaushalten. Eine Wohnung mit vier Zimmern, 90 Quadratmeter für zwei Erwachsene und ein Kind – der Stromverbrauch liegt mit 2.847 Kilowattstunden im Monat im Mittelfeld, und auch bei den Heizkosten sieht es nicht so übel aus, wie es sich Maja gedacht hat. Sparmöglichkeiten lassen sich dennoch finden.

Die Wohnung liegt im zweiten Stock eines typischen Berliner Mietshauses einer der großen Wohnungsbaugesellschaften: Baujahr 1930, neue Fenster, aber ungedämmte Wände. Es handelt sich um ein vierstöckiges Reihenendhaus, die Wohnung hat drei Außenwände. So richtig warm wird es in den Zimmern nur, wenn Maja die Heizung auf vier stellt.

Nino Mezari zückt nun ein Messgerät und misst die Temperatur. 21 Grad sind es im Wohnzimmer, was auch den Energieberater erstaunt. Er widmet sich wieder der Abrechnung, denn die Betriebskosten haben es in sich, wenn wie hier die Kosten von ganzen Wohnblocks zusammenfließen und dann wieder anteilig auf die einzelnen Mieter umgelegt werden.

Oft falsche Abrechnungen

„Diese Abrechnungen sind es, die die meisten Verbraucher zu uns in die Beratung treiben“, erzählt Diplomingenieur Mezari, der bei der Verbraucherzentrale (VZ) Berlin arbeitet und sich auf Anfrage auch bei BerlinerInnen zu Hause Stromfresser und mögliche Energieschlucker anschaut. Oft seien die Abrechnungen unverständlich und nicht selten falsch. Mezari empfiehlt dann, sich direkt an die Energierechtsberatung der VZ zu wenden.

Anders sieht es bei den Stromkosten aus. Die monatlichen Abschläge sind auf jeder Abrechnung klar ersichtlich – der Nutzer kann sie über sein Verhalten direkt beeinflussen. Zusätzlich kann ein Anbieterwechsel bares Geld bringen. Doch gilt dabei die Devise: Wer einmal wechselt, sollte es regelmäßig tun. So locken viele Firmen mit Angeboten, die laut Mezari unter dem Einkaufspreis des Stroms liegen. Aber diese Angebote gelten meist nur für wenige Monate, und wer dann nicht schon wieder wechselt, zahlt schnell höhere Preise.

Steigende Stromkosten

Trotz Energiewende ist die Stromerzeugung auch heute noch zum Großteil an die Nutzung von nicht erneuerbaren Ressourcen gebunden. In den vergangenen Jahren jagte eine Hiobsbotschaft die nächste, wenn es um steigende Stromkosten ging. Seit Anfang 2015 nicht mehr. Die Forderungen nach Entlastungen der Verbraucher sind verstummt, obwohl die Kosten nicht gesunken sind. Sie sind nur nicht mehr so rasant gestiegen. Das Internet-Vergleichsportal Check 24 hat erst kürzlich eine Berechnung veröffentlicht, wonach der für die Stromkosten vorgesehene Anteil bei Hart-IV-Empfängern in vielen Fällen nicht ausreicht. Sie müssen das Geld an anderer Stelle abzweigen. Gründe zum Stromsparen gibt es also noch genug. Auch bei den Heizkosten stehen die Zeichen eigentlich nicht auf Entwarnung. Denn der derzeitige Preisverfall beim Rohöl und damit auch beim Heizöl wird sich langfristig voraussichtlich wieder ins Gegenteil umkehren.

Doch die schwindende öffentliche Diskussion beeinflusst anscheinend auch die Nachfrage nach Unterstützung beim Energiesparen. So hat derzeit – bis auf wenige Ausnahmen – kaum ein Berliner Interesse an einer Energieberatung bei der Verbraucherzentrale. In der Hauptstadt ist die Nachfrage stärker gesunken als in anderen Bundesländern. Und das, obwohl die Energieberatungen seit 1. März mit höheren Zuschüssen vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert werden.

Typische Fehler

Nino Mezari wundert sich etwas darüber, denn in vielen Haushalten findet er noch immer die typischen Fehler, die vielen BerlinerInnen hohe Kosten bescheren. Dass ein Verbraucher ihn allein wegen des Umweltschutzes zu sich holt, hat er noch nicht erlebt.

Nachdem der Papierkram erledigt ist, nimmt sich der Energieberater die einzelnen Zimmer vor. Er schaut, ob die Heizkörper zugestellt sind, prüft Elektrogeräte auf Alter und Zustand, zählt sie, fragt ab, wie oft sie zum Einsatz kommen. Am Ende wird er eine Gesamtbilanz ziehen und der Familie Brott zeigen, wie sie im Durchschnittsvergleich dasteht und wo ihr größtes Einsparpotenzial liegt.

In der Küche fängt Mezari am Kühlschrank an und misst die Innentemperatur. Sie liegt bei acht Grad. Das ist okay, tiefer sollte sie aber nicht liegen. „Jedes Grad tiefer erhöht den Energieaufwand um fünf Prozent“, rechnet er vor. Deshalb sei ein Thermometer im Kühlschrank wichtig. Dann prüft er die Gummidichtungen und schaut, dass kein Gerät daneben steht, das Wärme erzeugt und so den Strombedarf des Kühlschranks nach oben treibt. Maja ist zufrieden, denn hier kann alles so bleiben, wie es ist.

Der Trockner frisst Strom

Um die Ersparnis zu verdeutlichen, prüft Mezari den großen Flachbildfernseher im Stand-by-Betrieb einmal mit seinem Messgerät – 20 Euro pro Jahr wären im Schnitt dafür fällig

Der Herd hat ein Ceranfeld. Das sei effizienter als eine normale E-Herdplatte. Noch besser wäre Gas, doch das steht hier nicht zur Verfügung. Etwas kritischer beäugt Mezari den Trockner, auf den die Familie mit dreijähriger Tochter nicht verzichten kann. Es fallen Mengen an Wäsche an, und „da muss ich zwischendurch den Trockner anstellen“, sagt Maja. Da die Küche erst drei Jahre alt ist, sieht Mezari hier keine wirklichen Stromfresser.

Obwohl der Bundesverband der Verbraucherzentralen erst kürzlich kritisiert hat, dass die Energieeffizienzklassen bei Haushaltsgeräten immer weniger aussagekräftig seien – statt nur A oder A+ gibt es mittlerweile A++ oder gar A+++ und die Kriterien dahinter sind für jede Produktart unterschiedlich –, sieht er darin immer noch eine Orientierungsmöglichkeit für Verbraucher. „Die Hersteller testen die Geräte der Konkurrenz mit, und wenn die Verbräuche nicht stimmen, wird das sofort angemahnt“, sagt er und verweist darauf, dass die Testergebnisse trotzdem immer unter Laborbedingungen entstehen: „Die Verbräuche liegen im Alltag meist höher.“

Als letzten Tipp in der Küche zeigt Mezari noch auf den Wasserkocher. Den solle man nicht nur fürs Teewasser nutzen, sondern beispielsweise auch, um Abwaschwasser zu erwärmen. Er verbraucht zwar selbst ordentlich Strom, doch das in einer viel kürzeren Zeit als der Herd.

Im Bad gibt es dann aber eine kleine Überraschung für Maja, die sich eigentlich schon ziemlich sicher war, dass die Gesamtbilanz ihrer Verbräuche gut ausfällt. Der Durchlauferhitzer ist das Problem: Wasser so wie hier mit Strom zu erhitzen, erklärt Mezari, ist gar nicht effizient, denn das kostet die Brotts jeden Monat viel Geld. Als Mieter einer großen Wohnanlage wird die Familie mit diesem Thema wahrscheinlich nicht so viel beim Vermieter erreichen können. „In der Küche könnten Sie selbst einen kleinen Unterbau-Boiler dazwischenschalten“, rät Mezari. Dann müsste der Durchlauferhitzer nicht jedes Mal anspringen, wenn nur wenig warmes Wasser benötigt wird.

Für das Wohn-, Arbeits- und Schlafzimmer der Brotts gibt es dann aber doch noch Lob vom Energieberater. Fast überall sind Energiesparlampen und Steckerleisten angebracht, mit denen man bei allen Geräten auf einmal den Stand-by-Modus ausschalten kann. Um die Ersparnis zu verdeutlichen, prüft Mezari den großen Flachbildfernseher im Stand-by-Betrieb einmal mit seinem Messgerät – eine Art Zwischensteckdose, die den Verbrauch misst. Er schwankt zwischen zehn und fünfzehn Watt und zeigt an, dass nur dafür im Jahr im Schnitt 20 Euro fällig wären – ohne Ausschaltknopf.

Zum Schluss bekommt Maja Brott noch ein paar Checklisten und Tabellen. Die soll sie an den Stromzähler hängen und den Verbrauch regelmäßig eintragen und kontrollieren. „Nur wer weiß, was er verbraucht, kann etwas dagegen tun“, sagt Mezari, während er die Messgeräte wieder verstaut und die Wohnung verlässt.