GEHEN ODER RAD FAHREN
: Im taghellen Park

Es war ein seltsamer Tag, und ich trug meine Verwirrung über die Admiralbrücke

Am Morgen schien noch alles normal. Es war warm, die Sonne schien, es herrschte T-Shirt-Wetter. Ich dachte, etwas Bewegung täte gut, und überlegte, ob ich eine Radtour oder lieber einen Spaziergang machen sollte, als meine Mutter anrief und mich in ein heilloses Gespräch über die Freundin meines Bruders verwickelte – ihre Abneigung gegen die Frau, die immerhin ihr bislang einziges Enkelkind zur Welt brachte, verwirrte mich. Als ich auflegte, hatte ich mich eigentlich für die Fahrradtour entschieden.

Eigentlich heißt, dass der Fahrradschlüssel verschwunden war, wie ich dann feststellen musste. Er war nirgends aufzufinden, auch nicht im Altpapier bei mir und nicht in der Papiertonne im Hinterhof – dort fand sich nur das speckige Portemonnaie eines türkischen Mitbürgers mit allerlei Ausweisen, aber ohne Geld. Das legte ich zu den Briefkästen. Ich kehrte in meine Wohnung zurück, ließ meine Jacke und mein eigenes Portemonnaie da, steckte mir einen 20-Euro-Schein in die Hosentasche, und los.

Es war ein wenig wie in diesem Radioohrwurm aus den späten siebziger Jahren. Ein Gang durch den Park, ein Schritt im Dunkeln: „I’ve got to get some sense / back into my head. / I’m in the dark. / And I can’t see / where I’m being led.“ Nur dass es sonnenhell war, und flachlegen wollte mich hier draußen auch niemand, jedenfalls nicht heute und nicht in aller Öffentlichkeit. Aber es war ein seltsamer Tag, und ich trug meine Verwirrung über die Admiralbrücke und dann am Kanal entlang.

Mein Unbewusstes wollte nicht mehr Rad fahren, und irgendetwas hatte ich zu verschenken, oder irgendwofür wollte ich bezahlen, wer weiß das schon. Aber als ich später vor dem Lieblingscafé zurück im Reuterkiez saß, zum Glück nicht allein, fiel mir auf, dass auch mein 20-Euro-Schein inzwischen verschwunden war. RENÉ HAMANN