Arte-Doku über Waffen: Töten mit deutschem Patent

Die Doku „Waffen für die Welt“ zeigt, wie in Deutschland entwickelte Gewehre in Krisenregionen gelangen. Und das nicht radikal, sondern schlicht mit Fakten.

Bürgerpolizei in Guerrero, Mexiko: Szene aus „Waffen für die Welt“. Bild: rbb / © Diwafilm

Produziert die mexikanische Regierung ohne Lizenz Kopien deutscher Waffen? Hat die Rüstungsschmiede Heckler & Koch (H&K) mehr Gewehre illegal nach Mexiko geliefert als bislang angenommen? Seit vier Jahren ermitteln Strafverfolger gegen die Firma, weil das Unternehmen rechtswidrig Sturmgewehre vom Typ G36 in mexikanische Bundesstaaten geliefert haben soll.

Der Filmemacher Daniel Harrich hat die Spur verfolgt und ist auf neue Ungereimtheiten gestoßen. Am Dienstag (20.15 Uhr) zeigt Arte seinen Dokumentarfilm „Waffen für die Welt – Exporte außer Kontrolle“.

Harrich reiste nach Kolumbien und Mexiko, in den Sudan, den Südsudan und nach Bosnien-Herzegowina. Seine Recherchen führten ihn auch in die mexikanische Stadt Querétaro. Seit 2006 befindet sich dort eine Waffenfabrik, in der das Verteidigungsministerium (Sedena) das Standardgewehr der Streitkräfte herstellen lässt: das FX05. Die Waffen, die Harrich filmen konnte, haben große Ähnlichkeit mit dem G36, dem Sturmgewehr von Heckler & Koch. Eine Expertin spricht von einem „deutschen Patent“.

Nur: H&K will von einer Lizenzproduktion nichts wissen, und im Rüstungsexportbericht der Bundesregierung taucht keine Genehmigung auf. Markus Bantle, der als Handelsvertreter für die Rüstungsschmiede in Mexiko-Stadt tätig war, sprach noch vor zwei Monaten gegenüber der taz „von einem Gerücht, das Leute in die Welt gesetzt haben, die keine Ahnung haben“.

Einfach nachbauen geht nicht

Der Politikwissenschaftler Carlos Pérez Ricart, dessen Recherchen für den Film eine wichtige Rolle spielen, bezweifelt das: „Wir wissen, dass die mexikanische Regierung 2003 und 2004 an einem Lizenzvertrag mit Heckler & Koch interessiert war.“ Es sei um die Produktion des G36 gegangen. Nach Angaben des Finanzministeriums sei dafür vier Jahre lang Geld an H&K überwiesen worden. Man habe eine Summe von 22,8 Millionen Pesos (etwa 1,2 Mio. Euro) bezahlt, bestätigt das Sedena und räumt ein, dass es einen Technologietransfer gegeben habe. Für das Geld wurden nie G36 hergestellt, jetzt aber produziert jene Fabrik in Querétaro das FX05.

Werden die Waffen also ohne Lizenz, aber mit Beteiligung von H&K hergestellt? Es sei wahrscheinlich, dass die Firma bei solchen Produktionen im Spiel ist, meint Rüstungsgegner Jürgen Grässlin: „Eine Hightechwaffe vom Typ G36 kann nicht von irgendeiner Firma weltweit nachgebaut werden, dazu brauchen sie das Know-how von hoch qualifizierten Technikern von Heckler & Koch.“

Harrich wirft auch neue Fragen zu dem fragwürdigen Export der G36 auf. Während Mexikos Regierung von etwa 10.000 Waffen spricht, die es erhalten habe, genehmigten deutsche Behörden die Ausfuhr von nur ca. 8.000 Gewehren. Wurden tatsächlich mehr Waffen geliefert? Sind sie bei der Mafia gelandet? Schon jetzt ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, weil die Hälfte der G36-Gewehre an Polizeibehörden in vier mexikanischen Bundesstaaten gingen, in die keine Waffen exportiert werden dürfen. Zudem soll H&K einen mexikanischen General bestochen haben, und Firmenmitarbeiter bestätigten jüngst, dass sie zusammen mit Bantle Exportpapiere geschönt haben, um illegale Lieferungen zu ermöglichen.

Der Film dürfte den Druck auf die Ermittler verstärken, endlich Anklage gegen die Gewehrbauer zu erheben. Angesichts der Begegnungen, die Harrich auf seinen Reisen hatte, erscheint die Frage nach legalem oder illegalem Export jedoch nebensächlich. Auch dort, wo die Kleinwaffen völlig legal hingeliefert werden, töten sie täglich Menschen. Der Filmemacher berichtet von den unkontrollierbar vielen H&K-Gewehren, die im Sudan im Umlauf sind: „Jeder schießt damit gegen jeden.“ In Bogotá spricht er mit einem Jugendlichen, der drei Jahre für die Farc-Guerilla tötete, über die Vorteile der Schwarzwälder Gewehre.

„Waffen für die Welt“, Dienstag, 20.15 Uhr, Arte.

Was die Waffenbauer dazu sagen, interessiert Harrich nicht mehr: „Ich möchte mir ersparen, Rechtfertigungen und Begründungen zu hören.“ Dabei kommt sein Film nicht radikal daher, sondern zeigt schlicht die Fakten. Eine Rüstungsfirma sei eben dazu da, Rüstungsgüter herzustellen, so der Regisseur. „Aber wenn wir nach außen so tun, als ob wir keine Waffen in Krisengebiete liefern, dann sollten wir auch keine Waffen in Krisengebiete liefern.“

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