Asbest-Skandal in Bremerhaven: Das vergessene Gutachten

Trotz vorliegendem Gutachten: Die Landeseigene Fischereihafen-Betriebsgesellschaft schickte Mitarbeiter und Azubis in Bremerhaven ungeschützt auf giftige Mission.

Bei den Abrissarbeiten in Bremerhaven gab es weder in Form solcher Schilder noch auf andere Weise Warnungen vor Asbest Foto: Daniel Bockwoldt/ dpa

BREMEN taz | Die Bürgerschaftsfraktion der Grünen will in der nächsten Sitzung der Deputation für Arbeit und des Landeshafenausschusses Antworten auf die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass trotz festgestellter Asbestbelastung Handwerker der landeseigenen Fischereihafen-Betriebsgesellschaft (FBG) ungeschützt Abrissarbeiten durchgeführt haben.

Wie letzte Woche bekannt wurde, sind Anfang des Jahres etwa 20 FBG-Mitarbeiter bei Abrissarbeiten mit dem hochgiftigen Baustoff Asbest in Berührung gekommen – ohne es zu wissen und folglich auch ohne entsprechenden Arbeitsschutz.

Von Anfang Januar bis Ende Februar waren Handwerker und Auszubildende der FBG damit beschäftigt, die alte Unternehmenszentrale der Nordsee GmbH in der Klußmannstraße zunächst zu entrümpeln und dann abzureißen. Die Restaurantkette war zuvor in einen Neubau am Fischereihafen umgezogen. Die FBG, zuständig für die landeseigenen Liegenschaften am Hafen, entschied sich daraufhin für einen Abriss in Eigenregie.

Dabei liegt der Gesellschaft schon seit April 2015 ein Gutachten vor, das die Asbestbelastung des alten Gebäudes dokumentiert. Wie die Geschäftsführerin der FBG Petra Neykov gegenüber Radio Bremen erklärte, würden solche Gutachten standardmäßig in Auftrag gegeben, um Art und Umfang der geplanten Bauarbeiten abschätzen zu können.

Sülmez Dogan, Die Grünen

„Was dort passiert ist, kann man nur als grob fahrlässig bezeichnen“

Warum allerdings aus dem seit Monaten vorliegenden Gutachten keine Konsequenzen gezogen wurden und trotz der Gesundheitsgefahr keine Fachfirma mit dem Abriss beauftragt wurde, bleibt unklar. Bei der FBG will man sich zu dem gesamten Themenkomplex nicht mehr äußern und verweist auf das inzwischen eingeleitete Verfahren der Staatsanwaltschaft. Die ermittelt in alle Richtungen, als mögliche Straftatbestände kommt Körperverletzung ebenso in Betracht wie ein Verstoß gegen das Chemikalien-Gesetz.

Inzwischen sollen alle betroffenen Mitarbeiter, darunter sechs Auszubildende, medizinisch untersucht worden sein

Die Bremerhavener Abgeordnete Sülmez Dogan fordert zur nächsten Deputation für Arbeit und des Landeshafenausschusses von der FBG einen Bericht: „Da sind so viele offene Fragen. Und einfach zu sagen, wir haben das Gutachten vergessen, klingt nicht sehr glaubwürdig.“ Die Abgeordnete, die auch Sprecherin für Häfen, Schifffahrt und Fischerei ist, will außerdem das direkte Gespräch mit Geschäftsführerin Petra Neykov suchen. „Was dort passiert ist, kann man nur als grob fahrlässig bezeichnen. Das ist doch unverantwortlich, wie da mit den Mitarbeitern umgegangen wurde!“

Asbest führt zur Lungenkrankheit Asbestose und schließlich auch zu Lungenkrebs. Da die durch das Einatmen von Asbestfasern und -staub ausgelösten Krankheiten eine jahrzentelange Inkubationszeit haben können, müssen die betroffenen Mitarbeiter künftig alle drei Jahre medizinisch untersucht werden. „Das alles ist wirklich skandalös“, sagt Sülmez Dogan, „und für die Betroffenen ist das auch eine große psychische Belastung.“

.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.