Attacken gehen zurück: Tierschützer seltener im Stall

Immer weniger Ställe von Aktivisten angezündet oder beschädigt. CDU dennoch besorgt. Landesregierung will nicht auf V-Leute verzichten.

Tierschützer protestieren auf dem Stoppelmarkt in Vechta gegen schlechte Tierhaltung. Foto: dpa

HAMBURG taz | In Niedersachsen gibt es immer weniger Anschläge auf Ställe. Das hat eine Anfrage der CDU-Fraktion im Landtag ergeben. Seit 2009 sei die Zahl der registrierten politisch motivierten Sachbeschädigungen von Tierschützern stark rückläufig, antwortete das niedersächsische Innenministerium auf die Frage, ob sich „sogenannte Tierschutzaktivisten über das Gesetz“ stellen.

Auf den Einsatz von V-Leuten in der Szene will das Land trotzdem nicht grundsätzlich verzichten. Wegen der ländlichen Strukturen und verschiedener Großprojekte wie dem Megaschlachthof in Wietze und dem Forschungszentrum für Tierimpfstoffe in Hannover sei das Bundesland noch immer ein Schwerpunkt der Aktionen.

Das Ministerium geht bei vier Brandstiftungen seit 2009 von einem politischen Hintergrund aus. Die Aktivisten verursachten einen Schaden von insgesamt rund 1.061.000 Euro. Hinzu kämen 165 Sachbeschädigungen mit einem Schaden von 302.322 Euro. Vielerorts sprühten die Tierschützer die Buchstaben „ALF“ an Stallwände und Tiertransporter, um darauf hinzuweisen, dass es sich um eine politische Aktion handelt. Das Kürzel steht für „Animal Liberation Front“, eine dezentral agierende Gruppe der Tierbefreiungsbewegung.

Maria Meier engagiert sich für den Verein „Die Tierbefreier“, eine Art Sprachrohr für die Aktivisten der Szene. Sie veröffentlicht Bekennerschreiben oder organisiert juristische Hilfe, wenn Tierbefreier erwischt werden. „Es werden jeden Tag Millionen Tiere ermordet“, sagt sie. „Es bedarf jeglicher Mittel, um darauf hinzuweisen.“

Die Tierschutzszene ist laut Niedersachsens Regierung kein „Beobachtungsobjekt“ des Verfassungsschutzes (VS).

Der Geheimdienst selbst schätzt die überwiegende Mehrheit der Tierschutzaktivisten trotz vereinzelter Kontakte in die linksextremistische Szene selbst nicht als extremistisch ein.

Eine organisierte oder strukturierte Szene sei in Niedersachsen nicht erkennbar, heißt es laut Landesregierung.

Als Uwe Schünemann (CDU) noch Innenminister in Niedersachsen war, berichtete der VS noch regelmäßig über militante Tierschützer und „Vegananarchisten“.

Alle politisch motivierten Straftaten werden laut Innenministerium bundesweit beim Kriminalpolitischen Meldedienst gesammelt.

2014 wurden 230 Taten aus der Tierschutzszene registriert. Das waren rund 0,7 Prozent aller Taten mit politischem Hintergrund in dem Jahr. Die Zahl lag bundesweit bei insgesamt 32.700 Fällen.

Ziel sei es, den Bauern wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, die Abläufe in den landwirtschaftlichen Betrieben zu stören, Tiere zu befreien und Missstände zu dokumentieren. „Die Aktivisten finden in jedem Stall tote und schwer verletzte Tiere.“

Das Eindringen in die Ställe kritisiert Landvolk-Sprecherin Gabi von der Brelie: „In einem Rechtsstaat erfolgt die Überprüfung von Fehltritten durch das Veterinäramt.“ Unter den niedersächsischen Bauern herrsche ein latentes Unwohlsein vor, weil sie ständig damit rechnen müssten, dass sich jemand nachts Zugang zum Stall verschaffe. „Sie fühlen sich einem Generalverdacht ausgesetzt.“

Den Rückgang solcher Attacken hat die Sprecherin jedoch auch beobachtet. Seit rund drei Jahren gebe es in Niedersachsen aber auch weniger Stallneubauten, an denen sich Protest entzünden könnte.

Auch die Zahl der Einbrüche in Ställe, bei denen die Polizei von militanten Tierschützern als Täter ausgeht, ist gering. Von 668 erfassten Einbrüchen konnten sechs Fälle den Tierschutzaktivisten zugeordnet werden, die zumeist die Zustände vor Ort dokumentieren wollten. „In einem Fall dienten die Videoaufnahmen dazu, Verstöße gegen das Tierschutzgesetz anzuzeigen“, schreibt das Innenministerium.

Die Tierhalter fürchteten jedoch, dass die heimlich aufgenommenen Videos mit Absicht einen falschen Eindruck erwecken sollen, sagt Landvolksprecherin von der Brelie. „Missliche Bilder müssen nicht an Haltungsfehlern liegen.“ Von den Tierschützern aus dem Schlaf gerissen, könnten sich Hühner beispielsweise in eine Ecke des Stalls drängen.

Dann wirke es, als hätten die Tiere zu wenig Platz. Tierschützerin Meier widerspricht: „Deshalb filmen die Aktivisten von Anfang bis Ende der Aktion.“ Würden solche Aufnahmen nicht veröffentlicht, ändere sich auf den Höfen nichts.

Trotz der sinkenden Zahl der Attacken will das Innenministerium nicht auf V-Leute in der Szene verzichten. Die Zulässigkeit eines Einsatzes müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, heißt es in der Antwort. Ob derzeit V-Leute in der Tierschutzszene aktiv sind, verrät das Landeskriminalamt nicht.

Im vergangenen Jahr hatten Tierschützer in Braunschweig einen V-Mann des Landeskriminalamtes enttarnt. Der Spitzel soll den Aktivisten damals Tipps für Sabotagen gegeben haben, etwa wie man Maststall-Baustellen flutet. Zu Straftaten anstiften dürfen V-Leute aber nicht.

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