Aufstieg und Fall der schwedischen Piraten: „Niemals 30-Prozent-Partei“

Wir haben uns nicht breit genug aufgestellt, sagt Rick Falkvinge, Gründer der schwedischen Piraten. Die wollen jetzt das Parteiprofil ändern. Ihr Vorbild: Die deutschen Piraten.

Rick Falkvinge: „Politischer Prediger“ aus Schweden. Bild: dapd

Rick Falkvinge ist sich sicher, dass die schwedischen Piraten Einiges von ihrer deutschen Schwesterpartei lernen können. „In Schweden haben wir uns auf ein enges Themenspektrum konzentriert und dachten, dass das besonders ehrlich sein würde“, sagt Falkvinge und nippt an seinem Obst-Smoothie. „Die Entscheidung der deutschen Piraten, sich allgemeiner aufzustellen, war erfolgreicher.“

Seit Falkvinge 2011 den Vorsitz der schwedischen Piratenpartei aufgab, reist er und hält Vorträge – er nennt sich selbst einen „politischen Prediger“. So auch auf der Bloggerkonferenz „Re:publica“ in Berlin. Die Stadt hält er für einen fruchtbaren Treffplatz der deutschen Netzaktivisten – kein Wunder also, dass hier der Aufstieg der deutschen Piraten im vergangenen Herbst begann.

In Deutschland feiert die Piratenpartei einen Wahlerfolg nach dem anderen, und ist inzwischen in vier Landtagen vertreten. In Schweden ist der Trend entgegengesetzt: Von 50.000 Mitgliedern beim Höhepunkt sind nur noch 8.000 übrig.

Sam Sundberg, Journalist und Autor eines Buches über die Bewegung der Piraten, glaubt wie Falkvinge, dass der Grund für den Abstieg die thematisch enge Aufstellung ist. „Das Problem ist, dass sie sich über das Filesharing definiert haben – die Debatte darüber ist heute tot“, sagt Sundberg. „Aber eigentlich gibt es noch Gesprächsbedarf. Es ist ja nicht so als hätten die anderen Parteien eine kohärente Netzpolitik entwickelt.“

Denkfabrik „Piratenbüro“

Vor gut zehn Jahren begann die Entwicklung der schwedischen Piraten mit der Denkfabrik „Piratenbüro“ und dem Beginn von ThePirateBay, jene Website die bald die weltgrößte Filesharing-Seite werden sollte.

Im Wahljahr 2006 gründete Rick Falkvinge die erste Piratenpartei – wenn nur ein Fünftel der 1,2 Millionen schwedischen Filesharer die Partei wählen würden, so sein Kalkül, würde die Partei es ins Parlament schaffen. Doch seine Berechnung schlug fehl: Die Piratenpartei bekam nur 0,63 Prozent der Stimmen und blieb draußen.

Drei Jahre später bekam sie aber eine neue Chance. Im Frühjahr 2009 wurden die Hintermänner von ThePirateBay wegen Beihilfe zu Urheberrechtsverletzungen verurteilt. Sie sollten ein Jahr im Gefängnis verbringen und über drei Millionen Euro Schadenersatz zahlen.

Das Urteil entfachte eine Welle der Entrüstung und die Piratenpartei erhielt innerhalb von wenigen Wochen 35.000 neue Mitglieder. Von 15.000 wuchs die Zahl der Piraten auf 50.000. In der EU-Parlamentswahl 2009 erhielt die Partei 7 Prozent der Stimmen und zwei Sitze.

An der Universität von Göteborg analysierte in dem Jahr Mikael Persson die Wählerschaft der Piraten. Er und seine Kollegen stellten fest: Die Menschen wählten nicht aus Protest die Piraten, sondern weil ihnen der Dateientausch wichtig war. 84 Prozent gaben an, dass Filesharing eine „gute oder sehr gute Idee“ sei – kein anderes Thema war ihnnen ähnlich wichtig.

Politisches System transparenter machen

„Wir stellten fest, dass Piratenwähler nicht unzufriedener waren als andere Wähler auch“, sagt Persson. „Ihnen waren nur sehr bestimmte Themen wichtig und sie waren unzufrieden damit, wie die etablierten Parteien mit diesen Dingen umgingen.“ Doch das Stimmungshoch hielt nicht: Als im nächsten Jahr wieder nationale Parlamentswahlen anstanden, holte die Piratenpartei wieder nur 0,65 Prozent der Stimmen. War das schon der Aufstieg und Fall der schwedischen Piratenpartei? Nein, hoffen Vertreter der schwedischen Piraten.

Wir stellen uns breiter auf“, sagt die neue Piratenchefin Anna Troberg. „Wir wenden unsere Prinzipien auch auf Themen außerhalb des Internets an – zum Beispiel auf Bildungs-, Gesundheits- und Außenpolitik.“ Auch Rick Falkvinge glaubt nicht an den Niedergang der schwedischen Piraten. „Die Piraten sind eine Bewegung wie es die Sozialdemokraten oder die Grünen waren,“ sagt er. „Sie begannen mit einem Protest und mit ihrer Entwicklung formulierten sie Alternativen, die in die Gesellschaft ausstrahlten. Wir sind heute mitten in diesem Prozess.“

Doch der Journalist Sundberg glaubt noch nicht richtig daran. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Piraten mal eine 30-Prozent-Partei werden“, sagt er. „Aber sie könnten eine wichtige Rolle spielen.“ Zum Beispiel das politische System transparenter machen – auf Fragen der Transparenz, Freiheit und Überwachung im Netz hätten die etablierten Parteien noch immer keine Antwort.

(Aus dem Englischen von Lalon Sander)

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