Augsburger Laboraffäre: LKA-Beamter unter CSU-Beschuss

Hat die Politik die Ermittlungen gegen Laborarzt Schottdorf beeinflusst? Der Hauptzeuge, der das behauptet, gerät bei seiner Vernehmung unter Druck.

Von den Vorwürfen des Hauptzeugen Stephan Sattler blieb am Dienstag nicht viel übrig. Bild: dpa

MÜNCHEN taz l Der LKA-Beamte Stephan Sattler ist den zweiten Tag als Zeuge im Untersuchungsausschuss „Labor“ des Bayerischen Landtags geladen. Er erscheint in frisch gebügeltem Hemd und Nadelstreifenanzug – besonders feierlich ist ihm aber wohl nicht zumute. Seine Angriffslust scheint am Dienstag verschwunden zu sein.

Eigentlich hatte er wohl vor, als stolzer LKA-Beamter aufzudecken, wie „dunkle Mächte, gesteuert von der Politik“ seine Ermittlungen erschwerten, so beschrieb es der stellvertretende Ausschussvorsitzende Franz Schindler von der SPD. Am Schluss belastete er sich womöglich selbst.

Sattler ermittelte von 2006 bis 2008 als Leiter einer Sonderkommission gegen den Augsburger Laborunternehmer Bernd Schottdorf und über 3.500 Ärzte wegen eines betrügerischen Abrechnungssystems. Nicht zuletzt aufgrund seiner Aussagen befasst sich der Untersuchungsausschuss mit der Frage, ob die bayerische Politik und Justiz die Ermittlungen erschwerten – und damit Tausende betrügerische Ärzte davonkommen ließen.

LKA-Mann Sattler zieht Vorwürfe zurück

Am Montag erhob Sattler Vorwürfe, die in diese Richtung gingen. Er berichtete, wie der Verdacht der Rechtsbeugung gegen einen Augsburger Staatsanwalt, der wegen Vorteilsnahme verurteilt wurde, „weggedealt“ wurde. Als Sattler bei der Staatsanwaltschaft nach dem Warum fragte, bekam er zur Antwort: „Weil die Ministerin nichts von einem bestechlichen Staatsanwalt in der Zeitung lesen will.“ Auch bei seinen eigenen Ermittlungen gegen Schottdorf ist ihm einiges komisch vorgekommen.

Daran, dass es sich um Betrug handelte, bestand für ihn kein Zweifel. Das sagte ihm sein Staatsanwalt in München, das las er in anderen Gerichtsentscheidungen. „Das Verfahren hätte locker laufen können“, sagte er.

Doch dann sagte sein Staatsanwalt 2007, er habe „strikte Anweisung“, keine Durchsuchungsbeschlüsse mehr rauszugeben. Plötzlich sollten sie nur noch ein Pilotverfahren „aufbauen“. Die Akten von zehn Ärzten lagen bis zu einem Jahr in den Polizeiräumen, ohne ausgewertet zu werden. Und zwar obwohl Stichproben ergeben hätten, dass Betrug vorläge.

CSU hielt Kritik für wenig berechtigt

„Da brennt einem die Seele weg als Ermittler“, sagte Sattler. Anfangs hatte er 18 Mitarbeiter unter sich, am Schluss sei nur eine „Rumpftruppe von fünf Leuten“ geblieben. Sein Staatsanwalt in München sei „verfahrenstechnisch nackig“ gemacht worden, als die Ermittlungen an Augsburg abgegeben wurden. Dort sollte das Verfahren „getötet“ werden, soll der Münchner Staatsanwalt zu Sattler gesagt haben. In Augsburg wurde das Betrugsverfahren gegen Schottdorf fallen gelassen.

Die Abgeordneten der CSU machten deutlich, dass sie die Kritik eines Polizeibeamten an dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft für wenig berechtigt halten. Einer nahm ihn ins Kreuzverhör: „Wer gibt die Rechtsmeinung vor?“ „Die Staatsanwaltschaft“, antwortete Sattler wie ein Schuljunge. Auch beschuldigte der CSU-Politiker ihn, „rechtswidrig“ gehandelt zu haben.

Es geht dabei um eine sogenannte Ergreifungsdurchsuchung, an der Sattler beteiligt war. Dabei dürfe kein Material beschlagnahmt werden. Sattler hatte sich zuvor beschwert, dass ihm das untersagt wurde. „Das Gesetz interessiert sie gar nicht“, herrschte ihn der CSU-Politiker an.

Zeuge erscheint plötzlich zahmer

Wohl deshalb erscheint Sattler am zweiten Tag seiner Vernehmung sehr viel zahmer. Seitdem er die bayerische Justiz anklagt, leitete der bayerische Staat schon einmal gegen ihn Ermittlungen ein, die nach ungewöhnlich langer Zeit aber eingestellt wurden. Trotzdem muss er aufpassen, was er sagt. Die Polizei hat sich vorbehalten, nach seiner Aussage Disziplinarverfahren gegen ihn einzuleiten.

Jetzt geht es um die Kernfrage des Ausschusses: Hat die Politik Einfluss genommen? In einem Zeitungsartikel hatte Sattler gesagt, seitdem sie bei Schottdorf Spendenbescheinigungen an die CSU gefunden hatten, seien die Ermittlungen erschwert worden. Das sei „nicht richtig“, sagt Sattler. Bei dem Journalisten beschwert habe er sich aber nicht.

Unliebsame Briefe

Ihm wird eine E-Mail vorgelesen, in der es um ein Schreiben an Ministerpräsident Horst Seehofer geht, das sein Kollege Robert Mahler verfasst hat. Darin heißt es: „Vielleicht lässt oder muss sich die Geschichte politisch lösen.“ Wollte also Sattler selbst auf dem politischen Weg erreichen, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden? „Politische Lösungen sind nicht mein Ding“, sagt Sattler.

Auch ein anderer Brief lässt ihn nicht gut dastehen. In einer Mail an den LKA-Präsidenten, in dem er den Ermittlern Rechtsbeugung vorwarf, informierte er seinen Chef auch, dass Kollegen über den Chef schlecht geredet hätten. „Hier haben Sie jemanden angeschwärzt“, sagt Schindler. „Ich würde heute so was nie wieder tun“, sagt Sattler.

Ob er seine Aussage, auf die Ermittlungen sei politisch eingewirkt worden, nur aus Angst vor einer Disziplinarstrafe zurück nahm, bleibt Sattlers Geheimnis. Sein Vorwurf, die Generalstaatsanwaltschaft habe die Ermittlungen ausgebremst, obwohl ein Verfahren möglich gewesen wäre, bleibt. Warum sie so handelte, muss sie erklären, wenn sie als Zeuge geladen ist.

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