Ausschreitungen beim Fußball: Unkoordinierter Polizeieinsatz

Bochumer Kriminologe erhebt schwere Vorwürfe gegen die Hamburger Polizei. Beim Schweinske-Cup sei sie einseitig gegen St. Pauli-Fans vorgegangen.

Fan-Ausschreitungen beim Hamburger Schweinske Cup: Nun soll sich die Polizei erklären. Bild: dpa

Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen beim Schweinske-Cup im Januar hat der Bochumer Kriminologe Thomas Feltes schwere Vorwürfe gegen die Hamburger Polizei erhoben. Sie sei schlecht vorbereitet gewesen und bei ihrem in Teilen rechtswidrigen Einsatz in der Alsterdorfer Sporthalle einseitig gegen Anhänger des FC St. Pauli vorgegangen.

Der an der Ruhr-Universität lehrende Wissenschaftler warf der Innenbehörde zudem vor, die Einsatzfehler weder öffentlich aufgearbeitet noch eingestanden zu haben. So entstehe das möglicherweise falsche Bild, die Polizei würde keine Konsequenzen aus ihrem fehlgeleiteten Auftritt ziehen und ihre Fehler vertuschen. Innensenator Michael Neumann (SPD) hatte sich nach der Alsterdorfer Randale demonstrativ hinter die Polizei gestellt und vorrangig die Anhänger des FC St. Pauli für die Eskalation verantwortlich gemacht, in deren Folge etwa 50 Personen – darunter 14 Polizeibeamte – verletzt wurden.

Nach rund 40 Zeugenaussagen, Protokollen, Polizeiunterlagen und Parlamentsanfragen, die Feltes und zwei MitarbeiterInnen im Auftrag des Ständigen Fanausschusses des FC St. Pauli ausgewertet haben, stellen sich für den früheren Rektor der baden-württembergischen Polizeihochschule die Ereignisse des 6. Januar wie folgt dar: Die der Polizei bekannten Ankündigungen aus der HSV-Szene, es bei dem Hallenturnier „krachen“ zu lassen, „weil es nie wieder so einfach sein wird, an die anderen heranzukommen“, hätten nicht dazu geführt, bekannten Problemfans aus dem Lager des HSV oder des verbrüderten VfB Lübeck, den Zutritt zur Halle zu verwehren.

Die Antworten des Senats auf eine Große Anfrage der SPD zum Thema Fangewalt in Hamburg ergeben Folgendes:

St. Pauli-Fans "überholen" HSV: Erstmals wurden von Anhängern des Kiez-Clubs im Umfeld der Ligapartien mehr Straftaten bekannt als von HSV-Fans. Während die erfassten Delikte im HSV-Umfeld vergangene Saison von 145 auf 97 fielen, stiegen sie bei den Anhängern der Braun-Weißen von vormals 126 auf 131.

Sogenannte Problemfans gibt es laut Polizeischätzungen im Umfeld des HSV rund 410, im Umfeld des FC St. Pauli 275. Als besonders gewaltbereit gelten dabei 200 bzw. 75 Personen.

Obwohl es bereits beim Einlass vor den Augen der Polizei aus dieser Gruppe heraus zu Gewalttätigkeiten gekommen sei, habe es keine Personalien-Feststellungen oder gar Festnahmen gegeben. Feltes Resümee: „Die Polizei hat die Ausgangslage offensichtlich falsch eingeschätzt“. Auch ihr weiterer Einsatz sei „weder koordiniert noch angemessen oder gar taktisch klug“ gewesen.

Im Verlauf der folgenden Auseinandersetzungen zwischen Fans des VfB Lübeck samt HSV-Verstärkung und den Anhängern des Kiez-Clubs habe sich „der Eindruck aufgedrängt, dass die Polizei einseitig gegen Fans des FC St. Pauli vorgegangen“ sei. Dass von der Polizei Pfefferspray „eher ungezielt in die Menge gesprüht wurde“, sei rechtlich nicht gedeckt: das aggressive Gasgemisch dürfe nur defensiv eingesetzt werden. Teilweise rechtswidrig sei auch der Einsatz der Polizeihunde gewesen.

„Offensichtlich hatte die Polizei zu diesem Zeitpunkt den Überblick über die Gesamtsituation verloren“, so Feltes: „Gründe für das aggressive Vorgehen der polizeilichen Einsatzkräfte konnten wir den uns vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen.“ Gregor Backes vom Ständigen Fanausschuss fordert nun „eine interne Aufarbeitung des Einsatzes“ durch die Polizei. Sei diese bereits erfolgt, so müssten die Ergebnisse endlich offengelegt werden.

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