Ausstellung über syrische Kunst: Angst zu Ende, Regime auch

Für die Berliner Ausstellung „Kunststoff Syrien“ mussten viele Werke aus dem Land geschmuggelt werden. Alle Künstler eint die Liebe zur Revolution.

Die Fotos des 1945 geborenen al-Roumi sind Teil seiner schon vierzig Jahre dauernden künstlerischen Auseinandersetzung mit den Damaszener Vorstädten. Bild: Mohammad al-Roumi

„Das ist die syrische Revolution“, sagt Ali Kaaf und deutet auf ein Foto seines Künstlerkollegen Mohammad al-Roumi. „Dieser bescheidene Mann hier. Seinen Händen sieht man an, dass er irgendwo in den Vororten von Damaskus arbeitet, um seine Familie zu ernähren.“ Fotograf al-Roumi gibt Ali Kaaf recht.

Auch für ihn symbolisiert der junge Mann die vielen Menschen, die in Syrien die Revolution gegen das Regime von Baschar al-Assad organisieren. Das erscheint plausibel, wenn man das Foto betrachtet, das an einer eher versteckten Ecke der Ausstellung „Kunststoff Syrien“ in der Forum Factory in Berlin hängt. Dieser Mann sieht so aus, als habe er noch was vor.

Prominenter gehängt sind die anderen Schwarz-Weiß-Abzüge al-Roumis, auf denen mal ein leerer Schrottplatz im harten Licht der levantinischen Mittagssonne zu sehen ist, mal ein alter Mann, der einen Schuh flickt. Die Fotos des 1945 geborenen al-Roumi sind Teil seiner schon vierzig Jahre dauernden künstlerischen Auseinandersetzung mit den Damaszener Vorstädten.

Das Berliner Ausstellungsprojekt, in dem „Die Lichter der Banlieus von Damaskus“ nun zu sehen sind, ist aus einem Netzwerk von Freunden und Verwandten entstanden. Viele der Arbeiten wurden erst in den letzten Wochen und Tagen aus Syrien geschmuggelt.

Abstrakte Malerei, Fotografien, Grafiken und Filme meist jüngerer und fast ausschließlich männlicher Künstler werden gezeigt. Letzteres ist ein Manko, das sich auch für manche Teilnehmer nicht gänzlich durch die Umstände der schnellen Organisation der Schau entschuldigen lässt. Immerhin seien mindestens die Hälfte der syrischen Aktivisten Frauen, die angesichts des traditionellen Geschlechterbildes auf den Straßen ein viel größeres Risiko eingingen.

Freiheit durch Ungehorsam

Auf einem der agitatorischen Poster, die auf einer Facebookgruppe namens Syrian People Know Their Way veröffentlicht wurden und nun in Berlin an der Wand hängen, ist das mit Schablone gesprühte Bild einer vermummten Frau zu sehen. Die Botschaft zum Bild lautet: „In deinem Ungehorsam liegt deine Freiheit.“ Das Pathos des arabischen Frühlings zeigt sich als die humanistische, jeder Idee von Demokratie vorausgehenden Proklamation der Würde des Einzelnen. Auf einem anderen Plakat heißt es: „Keine Schönheit jenseits meiner Freiheit.“

Dass es keine Ästhetik geben kann, wo die Diktatur herrscht, glaubt auch Ali Kaaf: „Kunst ohne Freiheit gibt es nicht. Freiheit ist eine Umgebung, in der man etwas von den anderen zurückbekommt.“ Der 1977 geborene Künstler hat Anfang der Nullerjahre an der Berliner Universität der Künste studiert und lebt jetzt wieder in Berlin. Er zeigt zwei großformatige abstrakte Gemälde in Schwarz-Weiß. „Vibration No. III“ und „Dress No. 2“ zeigen jeweils ein schwarzes Oval. Einmal überdeckt ein massives schwarzes Rechteck die runde Form, einmal ist sie von Brandlöchern versehrt.

Was der Versuch der Unterdrückung der Revolution mit den syrischen Städten macht, zeigen die Fotografien von Lens Young Homs. Hinter diesem Namen verbirgt sich eine Gruppe junger Leute zwischen 14 und 20 Jahren aus Homs. Fotografen haben sie angeleitet und ihnen Kameras ausgehändigt. Nun fotografieren sie ihre Stadt und veröffentlichen die Bilder auf Facebook.

Auf einem der Fotos schaut ein Junge ernst in die Kamera. Vor ihm am Boden steckt eine Granate halb in einer zerborstenen Fliese. Im Hintergrund ist eine Wandmalerei zu sehen, auf denen der gute Vater Assad über uniformierte Kinder wacht, die vor der Revolution offiziell die „Knospen der Baath-Partei“ genannt wurden. Inzwischen bitten Flüchtlinge aus Homs die Fotografen, Bilder aus ihrer Straße ins Netz zu stellen.

Angst vor Vereinfachung

Unter den Künstlern der Ausstellung sind Muslime, Drusen und Christen. Sie eint ihre Verbundenheit mit der Revolution, aber auch die Angst vor der Vereinfachung in den westlichen Medien, die sich in der Furcht vor den Islamisten zeige. In Syrien werde auch kein Bürgerkrieg, sondern ein Krieg gegen die Bürger geführt, sagt Mohammad al-Roumi. Die Bomben, die das Regime auf Städte wie Homs werfe, machten keine Unterschiede.

Dass die brutale Schleifung von Städten ein Charakteristikum des syrischen Regimes ist, vermittelt die Revolutionsdoku „Hama 1982–2011“, die zusammen mit anderen Filmen am kommenden Mittwochabend gezeigt werden wird. Die verwackelte Kamera spiegelt nicht den verqueren Authentizitismus der europäischen Dogma-Ästhetik wider, sondern ist Ergebnis der ganz realen Angst, beim Filmen in der Stadt erwischt zu werden, über deren Geschichte in Syrien nicht gesprochen werden durfte.

Assad der Ältere ließ im Sommer 1982 ganze Viertel von Hama dem Erdboden gleichmachen. Die Zahl der Opfer des Massakers ist unbekannt, Schätzungen schwanken zwischen 10.000 und 40.000 Toten. Im Film erzählt eine Mutter aus dem Off über die Ereignisse, während die Bilder von Friedhöfen und Brachen den Aufnahmen der großen Demonstrationen im Juli 2011 Platz machen. Ein Mann sagt: „Unsere Angst ist zu Ende, das Regime ist am Ende.“

Forum Factory, Besselstr. 13, Berlin. Tägl. 10-18 Uhr. Bis 18. August
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