Auswirkungen der Urheberrechtsreform: Glückliche Verlage, uneinige Autoren

Die Reform ist ein klarer Sieg für kleine und große Verlage. Auch Schriftsteller:innen-Verbände zeigen sich zufrieden, während Selfpublisher verlieren.

Auf einem Tisch sind ein aufgeschlagenes Buch, eine gelbe Blume, Apfelsinen und eine Laptop-Tastatur

Internet- und Buchgeschäft sollen durch die Reform zu einem harmonischen Ganzen werden Foto: Unsplash/Maria Maliy

Mit der vergangene Woche verabschiedeten Reform können die Buchverlage zufrieden sein. Sie werden durch die neue EU-Richtlinie finanziell gestärkt. Auf den ersten Blick verlieren jedoch die Autor:innen. Sie müssen zugunsten der Verlage auf einen Teil der Tantiemen verzichten, die ihnen die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) bisher auszahlte.

Trotzdem haben sich viele Schriftstellerverbände für die Reform ausgesprochen. So verweist Valentin Döring, Bundesgeschäftsführer der Schriftsteller:innen bei ver.di, als Fürsprecher der Reform auf das dritte Kapitel, in dem „faire Verträge für Künstler“ festgelegt sind. Die heiß umkämpfte Urheberrechtsreform – sie ist auch in der Literaturszene umstritten.

Grundsätzlich sollen große Online-Plattformen die Urheber:innen durch die Reform gerechter an ihren Gewinnen beteiligen. Der Journalist und Herausgeber der Website literaturcafe.de, Wolfgang Tischer, kritisiert aber die finanziellen Nachteile für Kreative durch Artikel 16. Dieser Artikel schafft die Rechtsgrundlage für eine Verlagsbeteiligung. Autor:innen müssen künftig Tantiemen mit ihrem Verlag teilen, wenn die Richtlinie in nationales Recht gegossen wird. Viele Autor:innen, mit denen Tischer gesprochen habe, hätten das nicht verstanden und stattdessen die Reform unterstützt. „Es wird ihnen aber klar werden, wenn sie sehen, dass die Ausschüttung von der VG Wort niedriger ist“, sagt der gelernte Buchhändler.

Um das zu verstehen, lohnt sich der Blick in die juristische Vergangenheit dieser Debatte. Zuletzt verteilte die VG Wort als gemeinsame Vertretung der Urheber:innen die Ausgleichsgebühren, zum Beispiel von Bibliotheken, direkt an Autor:innen und Übersetzer:innen. Das war nicht immer so. Jahrelang bekamen auch Verlage einen Anteil, weil das Lektorieren eines Textes oder die juristische Unterstützung ebenso zu Entstehung eines Werkes beitrage wie das Schreiben und Übersetzen an sich.

Schriftsteller:innen zeigen sich solidarisch

Belletristikverlage erhielten rund ein Drittel der Tantiemen. Doch 2016 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass eine pauschale Beteiligung der Verlage nicht rechtens sei. Nach dem Urteil gaben viele Autor:innen – besonders solche, die sich gut betreut fühlten – freiwillig die Einnahmen an ihren Verlag ab. Was Tischer stört: Durch Artikel 16 kehrt die „Zwangsabgabe“ zurück.

Nina George, Schriftstellerin und Beisitzerin des Präsidiums im PEN-Zentrum, spricht sich hingegen für die Verlagsbeteiligung aus und damit auch für die Reform. Die VG Wort sei mit den Verlagen verhandlungsstärker als ohne sie. „Das ist langfristig lukrativer für Autorinnen und Autoren“, sagt George. Nur gemeinsam könnten Verlage und Autor:innen etwas gegen internationale Giganten wie Google erreichen, ergänzt Susanne Schüssler, Leiterin des Wagenbach-Verlags und Sprecherin in der VG Wort. Sie hat für die Reform gekämpft. Und auch „die Mehrheit der Autorinnen und Autoren ist überzeugt, dass die Verlage wichtige Arbeit leisten“.

Bekannte Autor:innen unterstützten die Reform zudem, weil sie durch Artikel 17 auf Mehreinnahmen hoffen, meint Tischer. Darin steht, dass Online-Plattformen mit den Verwertungsgesellschaften Lizenzen abschließen müssen, so wie YouTube sich bereits mit der GEMA geeinigt hat. Schüssler sieht darin auch für die Leser:innen einen Vorteil: „Die Nutzer können nicht belangt werden, weil es Bezahlmodelle gibt.“

Tischer prognostiziert jedoch zähe Verhandlungen zwischen Plattformen und VG Wort. Noch herrsche viel Unklarheit: „Es gibt keine Zahlen dazu, wieviele urheberrechtlich geschützte Textbeiträge auf Facebook oder anderen Plattformen gegen den Willen von Autoren gepostet wurden.“

Uploadfilter schaden eigenen Veröffentlichungen

Der einzige große Verband, der sich klar gegen die Reform ausgesprochen hat, war der deutsche Selfpublisher-Verband. Dieser besteht seit 2015 aus rund 500 Autor:innen, die ohne Verlag veröffentlichen. Wegen Artikel 17 haften künftig die Plattformen, auf denen unabhängige Autor:innen ihre Werke hochladen, für diese Inhalte. Upload-Filter können das Material auf Urheberrechtsverletzungen hin automatisch prüfen, sind aber fehleranfällig. „Als unabhängige Kreative ohne eigene Rechtsabteilung sind Selfpublisher folglich den privaten Filterbetreibern ausgeliefert“, heißt es in der Pressemitteilung des Selfpublisher-Verbands.

Auch für Schüssler ist die Reform an dieser Stelle ein Kompromiss: „Ich teile die Auffassung, dass Upload-Filter nicht das Gelbe vom Ei sind.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.