Autobahn muss warten: Freier Flug für freie Adler

Der Horst eines Seeadler-Pärchens in einem Naturschutzgebiet im Südwesten Schleswig-Holsteins verzögert die Planungen für die Autobahn A 20.

Die Adlerbahn: Seltene Seeadler begrenzen massenhaftes Aufkommen an Autofahrern. Foto: Carsten Rehder/ dpa

HAMBURG taz | Adler stoppt Autobahn: Die anvisierte Planfeststellung für einen 15,2 Kilometer langen Teilabschnitt der Küstenautobahn A 20 verzögert sich um mindestens zwei Jahre. Naturschützer hatten den Planungsbehörden in Schleswig-Holstein im September einen Seeadlerhorst in einem Naturschutzgebiet bei Glückstadt im Südwesten des Landes in unmittelbarer Nähe zur geplanten Trasse gemeldet. Nach wochenlangen Prüfungen hat das Wirtschafts- und Verkehrsministerium nun die Notbremse gezogen. „Es gibt einen Zeitverzug von mindestens zwei Jahren“, räumt Minister Reinhard Meyer (SPD) ein. „Das ist kein schöner Tag für mich.“

In dem Horst hatte offenbar im Frühjahr 2015 ein Seeadler-Paar einen Brutversuch unternommen, diesen aber abgebrochen. Zwar ist der Horst nun verwaist – dennoch behält er für drei Jahre den rechtlichen Status einer Brutstätte. Die Planer im Ministerium gehen deshalb davon aus, dass sich die Planfeststellung für die Autobahn bis Ende 2017 verzögert. „Wir müssen abwarten, in der Zwischenzeit weiter planen – und dann mal schauen, ob die Adler wieder kommen“, sagt Meyer.

Der genaue Ort des Horstes wird geheim gehalten. Selbst das Verkehrsministerium scheiterte mit seinem Versuch, vor Ort einen Pressetermin durchzuführen, an der Naturschutzbehörde des Landkreises Steinburg – das Pressegespräch musste im Konferenzraum des Ministeriums in Kiel stattfinden. Die Geheimniskrämerei ist nicht ohne Grund: Schon mehrfach wurden die Horste von Adlern und anderen geschützten Vögeln von Unbekannten zerstört.

So teilte die Polizei Flensburg am Montag mit, dass Unbekannte den Nistbaum eines Seeadlers in einem kaum zugänglichen Wäldchen in der Nähe der nordfriesischen Kreisstadt Husum mit einer Motorsäge gefällt hätten. Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz eingeleitet.

Die 1998 als „Ostseeautobahn“ zwischen der polnischen Grenze und Lübeck geplante A 20 soll auf 542 Kilometern Länge zu einer „Küstenautobahn“ bis an die Nordsee ausgebaut werden.

In Betrieb sind 345 Kilometer von der Uckermark bis kurz vor Bad Segeberg.

In Planung befinden sich weitere 30 Kilometer bis zur A 7 bei Bad Bramstedt.

Folgen sollen 40 Kilometer bis zur Elbe mit einem 6,5 km langen Tunnel bei Glückstadt sowie 121 Kilometer in Niedersachsen über Bremerhaven und durch den Wesertunnel der B 437 bei Stadland bis Westerstede an der A 28 nördlich von Oldenburg.

Es ist bereits das dritte Mal, dass seltene Tierarten den Bau der Autobahn verzögern. Im November 2013 hatte das Bundesverwaltungsgericht den Bau bei Bad Segeberg gestoppt, weil der Fledermausschutz nicht ausreichend beachtet worden war. Die Kalkberghöhlen in Bad Segeberg gelten als größtes Fledermaus-Überwinterungsquartier Deutschlands. Weiter östlich hatte bereits Ende der 1990er-Jahre der Wachtelkönig einen zeitweiligen Baustopp ausgelöst.

Soweit soll es beim Seeadler nicht kommen. Damit der deutsche Wappenvogel nicht unter die Räder kommt, erwägen die Planer ein Tempolimit, aber auch den Bau von Wildzäunen und die Aufschüttung von Wällen, um ihn vom Aas auf der Piste fernzuhalten. Das alles soll nun durch zusätzliche Untersuchungen und Gutachten geklärt werden. Sicher sei nur, so Meyer, „dass es erheblich teurer wird“.

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