BUND-Chef Braasch zur Luftverschmutzung: „Leute sollen Druck machen“

Die Stadt setzt ein Urteil zur Luftreinhaltung nicht um und lässt ein Ultimatum des Umweltverbandes BUND verstreichen. Nun droht ein symbolisches Zwangsgeld.

Miese Luft: In der Max-Brauer-Allee werden oft zu hohe Stickstoffwerte gemessen. Foto: Angelika Warmuth/dpa

taz: Herr Braasch, tragen Sie einen Mundschutz, wenn Sie durch die Max-Brauer-Allee radeln?

Manfred Braasch: Ich muss gestehen, dass ich dort nicht radele. Anwohner berichteten uns aber, dass die Luftbelastung in den Stoßzeiten als extrem wahrgenommen wird. Seit Jahren werden die Grenzwerte dort überschritten. So ein Mundschutz würde bei Stickoxiden leider auch wenig bringen.

In einem Kubikmeter Luft dürfen höchstens 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid enthalten sein, in der Max-Brauer-Allee sind es bis zu 60 Mikrogramm. Was müsste dort passieren?

Es ist nicht so einfach, weil die Straße vierspurig ist. Man muss über Tempo-30-Zonen und Durchfahrverbote für Lastwagen nachdenken. In Berlin gibt es solche Versuche, die zu nennenswerten Reduzierungen der Schadstoffwerte geführt haben.

Laut einem Gutachten der Umweltbehörde sind in der Stadt insgesamt 200.000 Menschen von zu hohen Stickoxide-Emissionen betroffen. Diese können zu Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Krankheiten führen. Glauben Sie, dass Ihre Klage den Leuten weiterhilft?

Die Stadt Hamburg ist rechtskräftig verurteilt worden und muss, so hat es das Gericht gesagt, schnellstmöglich weitere wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität durchführen. Dieses Urteil ist seit April 2014 rechtskräftig. Bislang ist aber nichts passiert. Wir haben die Akten eingesehen und festgestellt, dass es erst im Herbst 2017 einen neuen Luftreinhalteplan geben soll. Das ist zu spät. Das Zwangsgeld soll die Stadt jetzt dazu bewegen, es schneller zu machen.

Das Zwangsgeld ist mit 10.000 Euro recht übersichtlich. Juckt das die Zuständigen überhaupt?

Es wird die Stadt schon jucken, wenn sie im Rahmen dieses Verfahrens darlegen muss, warum sie sich nicht an rechtskräftige Verurteilungen hält. Die Maßnahmen werden ja seit Jahren diskutiert, nur passiert ist nichts. Das kann sich eine Stadt auf Dauer nicht leisten.

51, Geschäftsführer des Hamburger BUND, Initiator des Volksentscheids zur Rekommunalisierung der Netze.

Was fordern Sie?

Es muss auf den Hauptstraßen, die jetzt so belastet sind, verkehrsbeschränkende Maßnahmen wie Tempo 30 oder Durchfahrverbote geben. Das sind schnell wirkende Maßnahmen, die sich gut umsetzen lassen. Uns schwebt aber auch eine Umweltzone und eine City-Maut vor.

Der BUND hatte dem Senat Ende Januar für den Luftreinhalteplan ein Ultimatum gestellt und mit dem gerichtlichen Zwangsgeldantrag gedroht. Sind die Verhandlungen gescheitert?

Wir haben ein Gespräch mit der Umweltbehörde geführt, bei dem uns signalisiert wurde, dass man an dem alten Zeitplan festhält. Aber die Grenzwerte, die zum Schutz der menschenlichen Gesundheit erlassen wurden, gelten ja bereits seit 2010. Das Problem ist also lange bekannt, es gibt eine rechtskräftige Verurteilung und sogar die Entwicklung, dass die Schadstoffwerte in Teilen der Stadt wieder steigen. Es ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel, dass man so lange auf den Luftreinhalteplan warten muss.

Warum geht Hamburg so halbherzig gegen die Luftverschmutzung vor?

Das Thema Autoverkehr ist in Hamburg sehr umstritten und die Politik scheut verkehrsbeschränkende Maßnahmen, weil die Wirtschaftslobby und der ADAC dagegen arbeiten. Trotzdem haben wir die Belastung der Menschen und ein rechtskräftiges Urteil. Das heißt, es führt kein Weg an diesem Konflikt vorbei.

Welchen Wohnort empfehlen Sie empfindlichen Menschen denn?

Wir wissen aus der Medizin, dass insbesondere kleine Kinder und ältere Menschen empfindlich auf Stickoxide reagieren können, aber natürlich hängt das auch immer vom Individuum ab. Wenn man aber auf Nummer sicher gehen will – und sich das auch leisten kann – sollte man lieber in weniger belastete Gebiete am Stadtrand ziehen. Wir sagen aber lieber: Leute, macht Druck, damit sich die Situation vor Ort verbessert.

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