Basketball-Club Rasta Vechta: Reggae goes Spitzensport

Die Gründung des Basketball-Clubs Rasta Vechta war eine Kneipenidee. Mittlerweile ist der Club in der Kleinstadt und in der Bundesliga angekommen.

Die Fans des Basketball-Bundesliga-Teams von Rasta Vechta.

Sie sind immer am Start: Die Fans der Basketball-Männer von Rasta Vechta Foto: imago/Manngold

VECHTA taz | Wenn die Basketballer von Rasta Vechta in ihre Halle einlaufen, stehen Bob und die Marleys schon bereit: Das Maskottchen, der Löwe Bob mit Dreadlocks und Mütze in Jamaika-Optik, schwingt die orangefarbene Fahne der Aufsteiger. Vechtas Cheerleader bejubeln ihre Spieler. Und zwischen Einlauf und Anpfiff gibt es Reggae im Rasta Dome, der Spielstädte des Teams der Ersten Basketball-Bundesliga (BBL).

Einst lieferte Bob Marleys „Rastaman Vibration“ die Inspiration zum Namen des Vereins, den Basketballer einer Schul-AG 1979 gründeten. Spätestens seit der aktuellen Saison weist der Club mehr auf als dieses Überbleibsel aus der Gründungszeit: sportlichen Erfolg. Im wieder einmal ausverkauften Heimspiel gegen die Telekom Baskets Bonn wäre am vergangenen Donnerstag der zehnte Sieg in Folge für die Rastas möglich gewesen. Vor 3.200 Fans unterlagen sie dem Tabellenzwölften aber nach zweimaliger Overtime mit 112:117.

„Es war ein unglaubliches Spiel in einer super Atmosphäre“, sagt Headcoach Pedro Calles am Tag nach der knappen Niederlage. Der gebürtige Spanier ist seit 2015 im Trainerstab des Clubs und übernahm zu Saisonbeginn die Leitung der Mannschaft. „Am Ende haben ein paar Aktionen den Unterschied gemacht.“ Das Momentum habe dann beim Team aus Bonn gelegen, das bereits nach der regulären Spielzeit hätte gewinnen können. Doch Sekunden vor Schluss verwandelte Kapitän Josh Young zwei Freiwürfe und ermöglichte so die Overtime.

Zum Sieg reichte es dennoch nicht. Dabei lag Vechta im dritten Viertel sogar mit elf Punkten in Führung. Auch in der ersten Overtime war der Sieg zum Greifen nah: Beim Stand von 100:100 und neun Sekunden Restspielzeit passte T.J. Bray, der BBL-Spieler mit den meisten Assists, jedoch ins Leere und hatte Glück, dass der beste Bonner Werfer Josh Mayo (28 Punkte) im Gegenzug vergab. Nach der zweiten Overtime siegten schließlich die Gäste. „Bonn ist ein Team, das jede Woche besser wird, und sie waren sehr gut vorbereitet“, konstatiert der gebürtige US-Amerikaner Young, der seit 2011 in der BBL spielt. Wie nach jedem Spiel gelte es aber, daraus zu lernen, sagt Calles.

Das Überraschungsteam aus Vechta blieb bei seinen letzten Aufstiegen in die BBL 2013 und 2016 erfolglos und stieg direkt wieder ab. Nicht so nach dem Aufstieg im letzten Jahr: Vechta steht mit 30 Punkten nach 21 Spielen an Position drei der Tabelle.

Josh Young, Spieler bei Rasta Vechta

„Klar, wir haben das Maskottchen Bob und manchmal spielen sie die Musik, aber daneben ist alles völlig normal“

Für Young ist der 35-jährige Calles einer der Gründe, warum diese Aufstiegssaison bisher so anders verläuft als die vorigen. „Der Coach hat eine Vision und versteht sehr gut, dass wir für den Erfolg hart arbeiten müssen. Außerdem hat er die richtigen Spieler ausgesucht.“

Die Spieler müssten zu seiner Persönlichkeit und Philosophie passen, erklärt der in seiner Heimat ausgebildete Calles. Vor der Rekrutierung neuer Spieler habe er sich daher selber kennenlernen müssen. Er sei emotional, habe Charakter. „Als ich verstanden hatte, wer ich bin, habe ich mich mit entsprechenden Charakterspielern umgeben.“ Im Profi-Kader des Clubs finden sich derzeit keine Spieler aus der letzten BBL-Saison. Lediglich Jung-Nationalspieler Philipp Herkenhoff war damals bereits im Nachwuchsteam der Rastas.

Doch wie ist bei so vielen Spielerwechseln überhaupt eine Identifikation mit der so besonderen Geschichte des Vereins möglich? Gibt es ihn überhaupt, diesen vermeintlichen Rasta Spirit? Young, als einziger mit Unterbrechung bereits seit 2015 für Vechta aktiv, fühle davon nichts. „Klar, wir haben das Maskottchen Bob und manchmal spielen sie die Musik, aber daneben ist alles völlig normal.“ Aber die Geschichte finde er „cool“, und sie spreche für die Einzigartigkeit des Vereins.

Welche Rolle spielt die Rastafari-Kultur in Vechta?

Auch für Calles ist die Entstehung des Clubs etwas Besonderes. „Ich mag Vereine mit Identität, und ich mag es zu wissen, für welche Art von Verein ich arbeite.“ Er sei zufrieden, wenn sich Spieler oder Fans mit ihm oder der Spielweise des Teams identifizieren können. „Aber was die Rastafari-Kultur angeht: Ich bin, wer ich bin und werde mich nicht ändern wegen der einen oder anderen Kultur.“

Es kann zumindest hinterfragt werden, mit welchem Recht sich die weiße Gründergeneration der Rastas Vechta einer Musik bediente, welche die im Ursprung schwarze Menschen umfassende Rastafari-Gemeinschaft repräsentiert. Andererseits: Es ist eben auch nur Musik, ziemlich populäre dazu. Und der daraus resultierende Name geht allemal besser ins Ohr als die je nach Sponsor wechselnden Namen der Konkurrenz.

Dank der Rastas ist Basketball in Vechta längst angekommen. Ganz anders 1979: Die Schüler der AG sahen sich gezwungen, einen neuen Verein zu gründen, weil kein ansässiger Club eine Basketball-Sparte eröffnen wollte. In der Kellerbar „Arnies Schänke“ grübelten die Sportler dann solange über einen passenden Namen, bis die Reggae-Ikone sie erlöste. Der eher konservativ geprägte Landkreis konnte zunächst weder mit dem Namen noch der Sportart etwas anfangen, heißt es in den Chroniken des Vereins.

Vechta kann mehr als Pferdezucht

Inzwischen kann die Kreisstadt aber mehr als Landwirtschaft, Stoppelmarkt und Pferdezucht. Trainer Calles verbringt sein viertes Jahr in Vechta. „Ich liebe es“, schwärmt er. „Ich kam mit meiner Frau her, inzwischen ist unser erstes Kind hier geboren, die Menschen sind super freundlich.“ Auch Young fühlt sich zu Hause. Vechta sei ein spezieller Ort, es fühle sich an wie eine Familie. „Und die Fans sind vermutlich die besten, vor denen ich je gespielt habe.“

Zu Beginn der Saison galt der Klassenerhalt als Ziel. Doch inzwischen findet sich Vechta in einer guten Ausgangsposition für den Kampf um die Play-offs. Für Calles ist aber nach wie vor nur eines wichtig: „Wir müssen uns weiter fokussieren und jeden Tag hart arbeiten.“ Man müsse stetig besser werden und aus den gemachten Fehlern der letzten Saisons lernen. „Selbst wenn wir es dann nicht in die Play-offs schaffen, wird dies eine bemerkenswerte Saison gewesen sein.“

Ja, die ist es bisher. Wie passend, heißt es doch im namensgebenden Marley-Song „It’s a new day, new time and it’s a new feeling.“

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