Befragung im US-Repräsentantenhaus: Offensive Verteidigung

US-Geheimdienst-Chefs rechtfertigen das Ausspähen ausländischer Politiker und beschuldigen die Europäer. Deutsche Regierungsvertreter sprechen in Washington vor.

Spitzel-Spitze zum Rapport im Repräsentantenhaus. Bild: ap

WASHINGTON rtr/dpa | NSA-Chef Keith Alexander hat die Arbeit der US-Geheimdienste gegen zunehmende Kritik im Zuge des Abhörskandals um Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigt.

Die Nationale Sicherheitsbehörde arbeite unter strenger Aufsicht und konzentriere sich darauf, Angriffe auf Amerikaner und Verbündete zu verhindern, sagte der General vor dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses am Dienstag. „Es ist viel wichtiger für dieses Land, dass wir diese Nation verteidigen und dafür Kritik einstecken, als dass wir ein Programm aufgeben, was dazu führen würde, dass diese Nation angegriffen würde.“

Medienberichte, wonach die NSA millionenfach Telefondaten in Frankreich, Spanien und Italien gesammelt habe, seien zudem „komplett falsch“, sagte Alexander. Einige der Daten, auf die in Dokumenten Bezug genommen werde, die der Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden verbreitet habe, seien nicht nur von der NSA gesammelt worden. Sie seien dem US-Geheimdinst auch von „ausländischen Partnern“ zugeliefert worden.

Der Direktor der Nationalen Nachrichtendienste, James Clapper, ergänzte, es sei eine der wichtigsten Aufgaben der US-Geheimdienste, die Absichten ausländischer Führungsfiguren zu verstehen. „Die Absichten politischer Führungen, wie auch immer sie ausgedrückt werden, sind das Grundsätzliche, was wir sammeln und analysieren müssen“, sagte der Koordinator der 16 amerikanischen Geheimdienste in der Kongressanhörung.

Zugleich zeigten er und der NSA-Chef Alexander sich in der Befragung überzeugt, dass Europa seinerseits die USA und deren Politiker ausspioniere. Die Washington Post zitierte in einem Artikel auf ihrer Website ungenannte US-Beamte, denen zufolge der deutsche Auslandsnachrichtendienst im Jahr 2008 die Kommunikation von mindestens 300 US-Bürgern oder in den USA lebenden Menschen ins Visier genommen habe.

Der deutsche Auslandsnachrichtendienst wies nach einem Bericht der Wochenzeitung Die Zeit diese Spekulationen umgehend zurück. „Aus der deutschen Botschaft in Washington wird keine Fernmeldeaufklärung durchgeführt“, sagte Gerhard Schindler, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) dem Blatt.

Obama will Befugnisse überprüfen

Die NSA und die US-Regierung stehen unter wachsenden Druck, weil sie Medienberichten zufolge unter anderem europäische Politiker ausgespäht haben sollen, darunter Angela Merkel. Präsident Barack Obama will deswegen die Befugnisse der amerikanischen Geheimdienste überprüfen lassen. Es müsse sichergestellt werden, dass die Dienste nicht alles machten, wozu sie technisch in der Lage seien, kündigte Obama im US-Sender ABC an.

Sein Sprecher Jay Carney sagte, angesichts der neuen Möglichkeiten zur Beschaffung vertraulicher Informationen brauche es Grenzen für deren Sammlung und Nutzung. Nach Angaben eines ranghohen Regierungsvertreters erwägt Obama, den Diensten die Überwachung von Regierungschefs befreundeter Staaten zu verbieten.

Senatoren von Demokraten und Republikanern brachten gemeinsam einen Gesetzentwurf ein, der die „Schleppnetz-Datensammlung“ beenden soll. Die Überwachungsprogramme reichten viel weiter, als es sich das amerikanische Volk habe vorstellen können, sagte der demokratische Senator Patrick Leahy. „Es ist an der Zeit für ernsthafte und bedeutsame Reformen, um das Vertrauen in unsere Geheimdienste wiederherzustellen“. Die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Senat, Dianne Feinstein, sagte, das Präsidialamt habe ihr mitgeteilt, dass die Sammlung von Daten über verbündete Länder nicht fortgesetzt werde.

Auch das UN-Hauptquartier in New York ist US-Regierungsvertretern zufolge nicht mehr im Visier der NSA. Präsident Barack Obama habe den Geheimdienst jüngst angewiesen, die elektronische Überwachung des Sitzes der Vereinten Nationen zu beenden.

Krisengipfel in Washington

Am Mittwoch soll es zu einem Treffen von hochrangigen Vertretern der deutschen und US-amerikanischen Regierung kommen. Die deutsche Delegation werde am Mittwoch im Weißen Haus in Washington erwartet, sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates von US-Präsident Barack Obama, Caitlin Hayden.

Zu den Gästen gehören demnach unter anderem Christoph Heusgen, der außenpolitische Berater der Bundeskanzlerin, sowie Geheimdienst-Koordinator Günter Heiß. Auf amerikanischer Seite würden die Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice, der Geheimdienstdirektor James Clapper sowie Obamas Antiterror-Beraterin Lisa Monaco teilnehmen.

„In ihrem kürzlichen Telefongespräch haben Präsident Obama und Kanzlerin Merkel vereinbart, die Zusammenarbeit zwischen den amerikanischen und deutschen Geheimdiensten weiter zu vertiefen“, erläuterte Hayden. Das Treffen am Mittwoch sei ein Teil dieses Dialoges.

Unterdessen warb Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich dafür, Telefonate innerhalb Europas nur noch über europäische Leitungen oder Vermittlungsstationen zu schicken. „Man muss sehen, in welchem Umfang es möglich ist, solche Vorschläge umzusetzen in der nächsten Zeit und auch gesetzliche Grundlagen dafür zu schaffen“, sagte der CSU-Politiker in Berlin. Es gehe um technische Lösungen, die es ausländischen Nachrichtendiensten nicht mehr so einfach machten, auf deutsche Daten zuzugreifen. Bislang suchen sich Telefonate ebenso wie Mails eine beliebige Route durch den internationalen Leitungsdschungel.

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