Beginn der Vorratsdatenspeicherung: Zwei Aufrechte versuchen es noch mal

Ein Provider und ein Professor wollen die Vorratsdatenspeicherung stoppen. Bis zu zehn Wochen lang wird sonst ab Juli gespeichert.

Ein silbernes Schild mit schwarzer Aufschrift vor einem grauen Gebäude

Das Oberverwaltungsgericht in Münster ist die letzte Instanz im Eilverfahren gegen die Vorratsdatenspeicherung Foto: dpa

BERLIN taz | Eigentlich verstößt die Vorratsdatenspeicherung gegen Europarecht. Deutsche Gerichte sind aber noch zögerlich. Der Mainzer Rechtsprofessor Matthias Bäcker unternimmt jetzt einen neuen Anlauf beim Oberverwaltungsgericht Münster. Sein Antrag liegt der taz vor.

Der Bundestag hat die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung bereits im Oktober 2015 beschlossen. Aufgrund einer Übergangsfrist beginnt die eigentliche Speicherpflicht aber erst am 1. Juli 2017. Dann müssen Internet-Firmen zehn Wochen lang speichern, wer sich wann mit welcher IP-Adresse ins Internet eingeloggt hat. Telefonfirmen müssen zehn Wochen lang festhalten, wer wann mit wem telefoniert oder gesimst hat. Vier Wochen lang muss gespeichert werden, wo sich ein Mobiltelefon befindet.

Allerdings hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Dezember 2016 solche anlasslosen Vorratsdatenspeicherungen in Schweden und Großbritannien als Verstoß gegen EU-Recht beanstandet. Die deutsche Politik war davon völlig überrascht. Das federführende Justizministerium von Heiko Maas (SPD) prüft noch immer die Auswirkungen des EuGH-Urteils auf Deutschland.

Bei den Verwaltungsgerichten können derzeit nur die Telekom-Firmen klagen. Denn sie müssen jetzt schon teure neue Speicherkapazitäten aufbauen. Eine Musterklage hat der Münchener Provider SpaceNet AG eingereicht, der für 40.000 Euro neue Hardware anschaffen müsste. Seine Klage, die vom Internet-Branchenverband Eco unterstützt wird, hat der Jurist Matthias Bäcker formuliert.

Ein Eilantrag beim Verwaltungsgericht (VG) Köln ist allerdings Ende Januar gescheitert. Die vom EuGH aufgeworfenen Fragen seien so komplex, dass sie erst im Hauptsachverfahren entschieden werden können, so das VG. Der Kölner Beschluss liegt der taz vor, das Gericht will ihn erst in dieser Woche veröffentlichen.

Internet- und Telefonnutzer können ihre Provider verklagen

Matthias Bäcker hat schon Rechtsmittel beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster eingelegt. Er hält den Kölner Beschluss für „nicht nachvollziehbar“. Nach dem EuGH-Urteil vom Dezember bestehe „kein vernünftiger Zweifel“, dass auch die deutsche anlasslose und allgemeine Speicherpflicht gegen die EU-Grundrechte-Charta verstößt. Bäcker hofft, dass das OVG noch vor Juli entscheidet. Das OVG ist die letzte Instanz im Eilverfahren.

Parallel dazu liegen in Karlsruhe auch schon elf Verfassungsbeschwerden gegen das deutsche Gesetz vor, unter anderem von Politikern der Grünen und der FDP sowie von Bürgerrechtlern von Digital-Courage. Anders als der EuGH hat das Bundesverfassungsgericht anlasslose Vorratsdatenspeicherungen bisher aber nicht grundsätzlich abgelehnt. Deshalb hat Karlsruhe im letzten Sommer auch zwei Eilanträge gegen das neue deutsche Gesetz zurückgewiesen.

Nach dem EuGH-Urteil vom Dezember gingen in Karlsruhe aber sofort zwei neue Eilanträge ein. Einer stammte von dem SPD-nahen Verein für digitalen Fortschritt D64. Ob darüber noch vor Juli entschieden wird, ist ebenfalls noch unklar.

Sollte bis Juli kein Gericht den Start der Vorratsdatenspeicherung stoppen, kann jeder Telefon- und Internetnutzer als Betroffener beim Amtsgericht seinen Provider verklagen. Eines der angerufenen Gerichte wird dann vermutlich bald das deutsche Gesetz dem EuGH vorlegen. Derzeit spricht alles dafür, dass der EuGH auch das deutsche Gesetz beanstanden wird – das wäre dann allerdings erst 2018, also lange nach der Bundestagswahl.

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