Bei Brexit-Abstimmung im Unterhaus: Mit dem Zepter gezockt

Ein britischer Abgeordneter hat versucht, das Zepter aus dem Unterhaus zu entwenden. Wie kommt man auf so eine Idee? Eine gedankliche Annäherung.

Menschen stehen im britischen Unterhaus

Selten gibt es im Unterhaus so viel Aufruhr wie beim drohenden Verlust des zeremoniellen Zepters Foto: dpa

Stellen Sie sich vor: Es ist spät, Sie sind immer noch bei der Arbeit. Sie haben noch keine Weihnachtsgeschenke gekauft. Ihre Freunde sitzen schon längst Last-Christmas-singend im Pub und gurgeln mit Glühwein – ohne Sie. Denn Sie heißen leider Lloyd Russell-Moyle, sind Labour-Abgeordneter im britischen Unterhaus und müssen sich wieder mal Brexit-Palaver anhören. Dabei wollen Sie doch gar nicht raus aus der EU! Die Premierministerin hat zu allem Überfluss die entscheidende Abstimmung über das Austrittsabkommen verschoben – hat das denn nie ein Ende? Ihnen platzt gleich der Kragen.

Da kommt Ihnen eine Idee, wie Sie sie zuletzt im Alter von zwölf Jahren in der Schule hatten: Sich rausschmeißen lassen und es auch noch wie Protest aussehen lassen. Ihr Blick schweift nach vorne. Da liegt es, Ihr sicheres Ticket raus aus dem Unterhaus, rein in die Schlagzeilen (und den Pub): Das reich verzierte, schwere, güldene Zepter, das sogenannte „Ceremonial Mace“. Es wird jeden Tag vor den Sprecher des Unterhauses getragen. Es ist das Symbol der königlichen Autorität, ohne das im britischen Parlament keine Gesetze gemacht werden können. Wird es entfernt, verliert das Unterhaus jede Berechtigung, Unterhaus zu sein.

Sie wissen, Ihr Plan wird aufgehen: Zuletzt ist ihr Parteikollege John McDonnell 2009 mit gleich fünf Tagen ohne Unterhaus „bestraft“ worden, als er das Zepter aus Protest von seinem Platz gemopst hat. Ha! Sie schreiten nach vorne, ergreifen das Zepter, puh, was jetzt? Sie schreiten sechs Schritte rückwärts unter dem Getöse der Abgeordneten, bleiben stehen und genießen den Augenblick der Unruhe. Leider haben Sie nicht weitergedacht. Was macht man denn jetzt mit diesem Ding in der Hand? Damit rumwedeln? In die Höhe recken? Ähm, Sie gehen mal einfach in die andere Richtung, das war ja jetzt auch Aufregung genug.

Sie lassen sich das Teil aus der Hand nehmen, machen den Mitarbeiterinnen des Unterhauses Platz, damit sie es zurückstellen können -alles andere wäre zu unhöflich – und werden für den Rest des Tages des Hauses verwiesen. Die innenpolitische Chefreporterin der BBC schreibt auf Twitter: „Meine Güte – wenn Sie in meiner Nerd-Welt sind, ist das ein wirklich wirklich dickes Ding – wie dein Getränk über alle deine Freunde im Pub zu verschütten weil du den Ton des Gesprächs nicht magst, und alle Gläser zu zerdeppern“. Leider war man am Ende dann doch nicht streng genug zu Ihnen: Morgen müssen Sie schon wieder ins Parlament, dabei sind Sie mit dem Brexit doch eigentlich genug bestraft.

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