Bekennerschreiben zu BVB-Angriff: „Sehr unüblich“

Nach dem Anschlag auf Dortmunds Teambus liegen der Polizei gleich zwei Bekennerschreiben vor. Beide sind dubios.

Polizisten stehen uniformiert vor einem Einsatzwagen, dahinter BVB-Logos

Polizisten am Trainingsgelände von Borussia Dortmund am Mittwoch Foto: ap

BERLIN taz | Es hätte der frühe Durchbruch sein können. Schon am Dienstagabend, kurz nach dem Sprengstoffangriff auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund, fand die Polizei ein Bekennerschreiben in dreifacher Ausführung in Tatortnähe. Von einer „Todesliste“ des Islamischen Staates für „ungläubige“ Prominente und Sportler ist darin laut Medienberichten die Rede. Doch dann folgte nur Verwirrung.

Denn noch in der Nacht wurde im Internet ein zweites vermeintliches Bekennerschreiben veröffentlicht: auf dem linksradikalen Internetportal „Indymedia“. Dort nun hieß es, der Anschlag sei eine Reaktion „für die Politik des BVB, die sich nicht genügend gegen Rassist_innen, Nazi_innen und Rechtspopulisten_innen einsetzt“. Der Beitrag war wenig später gelöscht.

Beide Schreiben prüften am Mittwoch Ermittler des Bundeskriminalamtes – mit einiger Vorsicht. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) nannte die Lage „ungewöhnlich“. Es könne sein, dass es auch den Versuch gebe, eine falsche Spur zu legen. Der Tathintergrund liege „noch völlig im Dunklen“. Auch Terrorismusexperten wie der Londoner Peter Neumann sprachen von „sehr unüblichen“ Bekenntnissen. Tatsächlich gibt es viele Ungereimtheiten.

Wie genau das BKA die Bekennerschreiben prüfte, dazu wollte sich die Behörde nicht äußern. Normalerweise aber sind linguistische Forensiker und Szenekenner involviert, in diesem Fall also etwa Islamwissenschaftler. Die sezieren die Schreiben auf ihren Inhalt, Wortschatz, Satzbau und mögliches Täterwissen – und gleichen die Texte mit bekannten Bekennerschreiben ab. Im BKA geschieht dies im Kriminaltechnischen Institut, auch mithilfe des Computerprogramms „Kiste“, des „Kriminaltechnischen Informationssystems Texte“. Eine „Fehler- und Stilanalyse“ wird dort nach eigenen Angaben durchgeführt, welche die Schreiben „kategorisiert und interpretierbar“ mache.

Noch dubioser ist das Antifa-Schreiben

Bei dem Bekennerschreiben vom Tatort in Dortmund bleiben indes viele Fragezeichen. Das kurze Papier, nur acht Sätze lang, ist gespickt mit Rechtschreibfehlern. Einen Unterzeichner gibt es nicht. Der Inhalt ist Stückwerk: Bezogen wird sich verklausuliert auf den Anschlag des Tunesiers Anis Amri in Berlin, dann auf Merkel und ihre „kleinen dreckigen Untertanen“, auf deutsche Tornados „über dem Boden des Kalifats“ und auf die vermeintliche Todesliste des IS gegen „ungläubige Schauspieler, Sänger, Sportler und Sämtliche prominente in Deutschland und anderen Kreuzfahrer-Nationen“ (so im Original). Am Ende folgen zwei Forderungen: der Abzug der Tornados aus Syrien und die Schließung der US-Airbase in Ramstein (Rheinland-Pfalz).

Das alles ist untypisch. Bisher folgten IS-Bekenntnisse nach Anschlägen in Europa nicht direkt an den Tatorten, sondern im Anschluss über den eigenen Internet-Propagandakanal „Amaq“. Auch die konkreten Forderungen sind ungewöhnlich.

Noch dubioser ist das angebliche Antifa-Bekennerschreiben. Auch dieses ist sehr kurz, es wirkt wie ein Imitat linker Aufrufe. Gegenderte Begriffe wie „Mensch_innen“ und „Nazi_innen“ werden dort allerdings nicht verwendet. „Indymedia“ bezeichnete das Schreiben inzwischen als Fälschung und „offenkundigen Schwachsinn“. Auf dem Portal können Beiträge vorerst von jedem anonym eingestellt werden.

Rechtsextremes Motiv wird geprüft

Schon als im September 2016 in Dresden vor einer Moschee und dem Kongresszentrum zwei Brandsätze explodierten, tauchte wenig später ein „Bekennerschreiben“ der Antifa auf „Indymedia“ auf. Die Staatsanwaltschaft stufte das Schreiben schnell als gefälscht ein, die Polizei nahm später einen ganz anderen Tatverdächtigen fest: einen 30-jährigen Pegida-Anhänger.

Die Sicherheitsbehörden prüfen deshalb im Fall Dortmund parallel auch ein rechtsextremes Motiv. Erst im März wurde in München eine Gruppe Neonazis, eine selbsternannte „Oldschool Society“, als rechtsterroristische Vereinigung verurteilt. Sie hatten in internen Chats auch darüber sinniert, Anschläge zu begehen, die man den „musels in de schuhe schieben“ könnte.

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