Berlin : Programm

vom 19. bis 22. Oktober 2022

Mitte © visitBerlin Bild: Wolfgang Scholvien

Für diese Reise gibt es weitere Programm-Optionen. Jede konkrete Reise ist ein wenig anders. Drei bis vier Wochen vor Reisebeginn wird das Programm der kommenden Reise aktualisiert - je nachdem, wer aus der Berlin-Redaktion mitmachen kann. Derzeit geplant ist:

1. Tag (Mittwoch)

"Geteilte Stadt" - Auftakt in Kreuzberg und Mitte

Der erste Tag beginnt um 9.30 Uhr mit einer kurzen Einführung in der taz Kantine in der südlichen Friedrichstraße in Kreuzberg. Thomas Hartmann wird Sie begrüßen. Nach einer kleinen Vorstellungsrunde geht es auch gleich los zum ersten Programmpunkt, einem Rundgang entlang der ehemaligen Mauer im Zentrum der Stadt – zum Thema „Geteilte Stadt“.

Taz-Berlin-Redakteur Uwe Rada führt Sie zu Fuß vom Checkpoint Charlie zu den Resten der Berliner Mauer am Martin-Gropius-Bau und weiter über den Potsdamer Platz zum Brandenburger Tor – durch das ehemalige Grenzgebiet zwischen Ost und West-Berlin. Nach einer individuellen Mittagspause geht es am Nachmittag nach Neukölln.und zwar ins Grüne.

Mauerreste am Martin-Gropius-Bau unweit der taz Bild: Norbert Fasching

Vom Flughafen zur Erholungs-Fläche: das Tempelhofer Feld

Taz-Redakteurin Malene Gürgen führt Sie über das Tempelhofer Feld: das Gelände des ehemaligen Flughafens Berlin Tempelhof, heute eine der wohl größten unbebauten innerstädtischen Flächen Europas. Seit der Schließung des Flughafens 2008 haben sich die Berliner das Gelände angeeignet: sie nutzen es als Park und Sportanlage, als Fläche für Stadtgärten und zur Erholung.

In den ehemaligen Hangars waren seit Ende 2015 Flüchtlinge untergebracht. Die später für sie dort aufgestellten Container wurden Ende 2019 geräumt. Malene Gürgen wird Ihnen etwas zur Geschichte des Flughafens, aber vor allem auch über die umstrittene Entwicklung des Geländes in den Jahren seit 2008 und die Pläne zur zukünftigen Nutzung erzählen. Im Anschluss erfahren Sie etwas zur rechten Szene im angrenzenden Bezirk Neukölln und wie sich die Menschen dort in Initiativen gegen Neonazis wehren.

Der Abend endet mit einem gemeinsamen Abendessen im „böhmischen Dorf“ Rixdorf im Bezirk Neukölln, das protestantische Flüchtlinge aus Böhmen Anfang des 18. Jahrhunderts gründeten.

Auf dem Tempelhofer Feld Bild: © visitBerlin, Philip Koschel

2. Tag (Donnerstag)

Neue Arbeitsplätze: Co-Working in Kreuzberg und Treptow

Am Vormittag beschäftigen wir uns mit den neuen Arbeitsformen in der digitalen Welt, die in Berlin seit gut 10 Jahren boomen und immer bedeutender für den Wirtschaftsstandort sind.

Wir besuchen zwei der neuen Co-Working-Spaces, in dem (meist junge) Projekt-Entwickler an neuen Geschäftsmodellen herumtüfteln, die sie dann als Start-Up realisieren wollen. Es gibt inzwischen Tausende solcher Co-Working-Arbeitsplätze in Berlin.

Mit Désirée Fischbach, die seit 2011 in verschiedenen digitalen Verlags-Bereichen arbeitet und seit Juli 2021 Leiterin des Teams der Entwickler*innen der ‚taz im Netz‘ ist, besuchen Sie das das ‚betahaus‘, das im ehemaligen taz-Redaktionsgebäude in der Rudi-Dutschke-Straße eingezogen ist. Ein Mitarbeiter des Betahauses, eines der ältesten Co-Working-Spaces in Berlin, führt durch das gesamte Haus und erläutert das Konzept.

Anschließend fährt die Reisegruppe, begleitet von Désirée Fischbach, mit U- und S-Bahn zum Treptower Park im Osten der Stadt und besucht die MOOS Kulturwerkstätten, in denen sich verschiedene kreative Projekte angesiedelt haben. Wir werden Gelegenheit haben, mit Mitarbeiter*innen verschiedener Projekte zu diskutieren.

Der Wedding: ein Arbeiterbezirk erfindet sich neu

Nach der Mittagspause (mit Gelegenheit zum Mittagessen) besuchen wir den früher als Arbeiter-bezirk berühmten Wedding im Norden Berlins. Unsere Tour streift die verschiedensten Facetten des historischen wie des modernen Wedding. Begleiten wird uns dabei Heiko Werning, u.a. Autor von taz und Titanic sowie Gründungsmitglied der „Brauseboys“, einer Lesebühne, die seit 20 Jahren allwöchentlich im Bezirk auftritt. Mit seinen Büchern „Mein wunderbarer Wedding“ und „Im wilden Wedding“ ist Werning selbst ein Chronist des Stadtteils.

Frankfurter Allee mit Blick auf den Alexanderplatz Bild: Archiv

Dabei ist der Wedding nicht nur einer der buntesten und am wenigsten „touristischen“ Kieze der Innenstadt, sondern er hat auch eine reiche Geschichte. Vor allem als Arbeiterviertel und Wohn-gebiet von Linken machte er in der Weimarer Republik von sich reden, bis zum „Blutmai“, einer Gewaltorgie gegen kommunistische Demonstranten, der als Katalysator für den Aufstieg der NSDAP gilt.

Die Kieztour startet am Gesundbrunnen, einem ehemaligen Kur- und Badeort. Um 1750 entdeckte man hier eine mineralhaltige Quelle. Sogar Königin Luise stattet dem Bad einen Besuch ab. Weiter geht’s auf der quirligen Badstraße, nach dem 2. Weltkrieg eine der bekanntesten Berliner Einkaufsstraßen.

An ihrem Ende liegen die ehemaligen Werkstätten der Berliner Verkehrsbetriebe; heute die „Uferhallen“, ein Treffpunkt für Kunst- und Kulturschaffende.

Der Spaziergang geht am Flüsschen Panke entlang weiter, vorbei an Ruinen, die von Clubs und Galerien genutzt werden, an Sozialwohnungen aber auch an neu aufgeploppten Townhouses und Luxusquartieren bis zum Nettelbeckplatz, der eigentlichen Keimzelle des Weddings.

Am Ende unserer Wedding-Begehung können Sie mit Heiko Werning in die nahe gelegene Kulturbrauerei Moabit gehen: Um 20 Uhr startet dort die Lesebühne der „Brauseboys“, zu denen auch Heiko Werning gehört. Die Lesebühne bietet ein sehr berlinspezifisches Kulturerlebnis am Abend.

Wedding - Streetart Bad-/Ecke Pankstraße Bild: Gaby Coldewey

3. Tag (Freitag)

Ein Vormittag in der taz

Der heutige Tag beginnt im neuen taz-Verlagsgebäude in der südlichen Friedrichstraße: Gemeinsam mit Thomas Hartmann nehmen Sie nehen an der morgendlichen Redaktionskonferenz teil – online, so wie sie derzeit eben für alle ist. Wir werden uns in den leeren Konferenz-Raum setzten und per Beamer die Online-Konferenz verfolgen.Anschließend erfahren Sie mehr über die Arbeit der taz-Genossenschaft.

Und natürlich gehen wir – wegen Corona mit Mund/Nasenschutz !! – im Treppenhaus unseres Glaspalastes durch alle Etagen des Neubaus auf die große Dachterrasse.

Beim Blick von der Dachterrasse werden Sie feststellen, dass die taz in ihrer neuen Umgebung von vielen interessanten Projekten umgeben ist, u.a. einer urban gardening-Initiative auf dem Nachbargrundstück. Beim Hausbesuch erfahren Sie auch, wie die taz so funktioniert - und können alle Fragen (zur taz) stellen, die Ihnen schon lange auf der Zunge liegen.

Kapitalismuskritik - ehemal. besetztes Haus in der Kastanienallee Prenzlauer Berg Bild: Archiv

Das gemeinsame Mittagessen findet praktischer Weise heute in der taz-Kantine statt, in der auch die taz-Mitarbeiter*innen essen (wenn sie nicht im Homeoffice sind).

„Decolonize Berlin“- die Spuren des deutschen Kolonialreichs

Nach dem Essen geht es zu Fuß durch Berlin-Mitte bis zur Museums-Insel und dem dort gerade (teilweise) eröffneten Humboldt-Forum – einer Replik des alten preußischen Schlosses mit modernem Innenleben. Dazu werden insbesondere die ethnologischen Sammlungen Berlins gehören (erst ab "Mitte 2022" zu besichtigen).

Da viele Stücke dieser Sammlungen Raubkunst aus der Kolonialzeit sind (u.a. die Benin-Bronzen und das Luf-Boot), war die Eröffnung des Humboldt-Forums auch Anlass für Debatten über die deutsche Kolonialgeschichte und ihre Folgen. In den letzten Jahren sind in Berlin verschiedene Gruppen entstanden, die u.a. eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Geschichte fordern, u. a. das Bündnis Decolonize Berlin und der Verein Berlin Postkolonial.

taz-Redakteurin Susanne Memarnia begleitet Sie zum Modellprojekt „Dekoloniale“, in dem verschiedene Gruppen dieser dekolonialen oder postkolonialen Bewegung mit der Senatsverwaltung und der Bundeskulturstiftung eine neue Erinnerungskultur in der Stadt entwickeln wollen. Dazu gehört auch die Künstler-Initiative Barazani, deren Poster und Plakate bei Demos anlässlich der Eröffnung des Humboldt-Forums zu sehen waren. Wir besuchen sie zum Abschluss der Tour in ihrem Sitz an der Spree direkt gegenüber dem Humboldt-Forum.

4. Tag (Samstag)

Neukölln: Einwanderung und Integration

In Neukölln leben Menschen aus über 190 Herkunftsländern. Davon, dass der Bezirk nicht erst seit gestern „multikulti“ ist, zeugt das Böhmische Dorf, Kern des alten Neukölln. Dort beginnt die Tour über Geschichte und Gegenwart des Einwanderer-Bezirks in Begleitung von taz-Berlin-Redakteurin Alke Wierth.

Vom böhmischen Dorf geht’s ins orientalische Neukölln: An der Sonnenallee – von arabischen Neuköllner*innen liebevoll Abu-Ali-Straße, von manchen Deutschen weniger liebevoll Gazastreifen genannt - bestimmen Einwander*innen aus der Türkei und arabischen Ländern das Bild.

Beim Bummel über die Geschäftsmeile berichten uns junge Neuköllner*innen vom Alltag in dem Stadtteil und den Geschichten ihrer Familien.

Auf der Sonnenallee in Neukölln Bild: Archiv

Die Jugendlichen werden etwas zur Einwanderungsgeschichte ihrer eigenen Familien, ihrem Selbstbild, ihren Erfahrungen mit Integration, Vorurteilen und Stereotypisierungen erzählen. Und natürlich werden sie auf einem Stadtrundgang auch etwas von „ihrem“ Neukölln zeigen.

Prenzlauer Berg: Gentrifizierung und Wohnungskampf

Mittags fahren Sie mit der U-Bahn nach Prenzlauer Berg. Der (ehemals Ost-) Berliner Stadtteil hat nach der Wende enorme Veränderungen durchlebt. Durch diesen Stadtteil mit der dichtesten Zuwanderung von Westbürgern in das ehemalige Berlin-Ost, der zum Symbol für Gentrifizierung wurde, führt der taz-Berlin-Redakteur Bert Schulz, der hier auch lebt.

Vor der Wende bedeutete Prenzlauer Berg: Bröckelnde Fassaden, Außenklos, im Winter eingefrorene Wasserrohre und Balkons, die einfach abfielen.

Aber auch 15 Euro Miete, heimliche Künstlerateliers unter dem Dach und Kneipen, die mal hier, mal dort für einen Abend öffneten: ein Eldorado für Dissidenten und Künstler wie Katharina Thalbach, Thomas Brasch, Cornelia Schleime, Harald Hauswald. Sie lebten hier zwischen den Kohlenschleppern, Verkäuferinnen und Rotznasen, die im Hinterhof heimlich rauchten. Hier befand sich ein Mittelpunkt der friedlichen Revolution 1989.

Heute ist alles anders. 80 Prozent der Bevölkerung sind ausgetauscht, jetzt wohnen hier vor allem Westdeutsche, aber auch Franzosen, Briten, Spanier und Russen. Sie haben den Kiez schöner gemacht, aber auch gleichförmiger.

Café Anna Blume am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg Bild: © visitBerlin, Philip Koschel

Dafür hat diese Entwicklung im Prenzlauer Berg und in anderen Stadtteilen den Kampf um billige Mieten in Berlin angefacht und im September 2021 zur Annahme des Volksentscheids: „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ geführt. Bert Schulz kann Ihnen die Details des Berliner Wohnungskampfs erläutern.

Das Programm endet gegen 16:30 Uhr am U+S-Bahnhof Schönhauser Allee.

Umstellungen und Änderungen sind möglich. Stand: 27.1.2022